Kategorie: <span>F.d.G. Nützliche</span>

Heinrich Ludwig Manger (1728 – 1790)

Vom gefährlichen Leben der Baumeister

Ich bin Heinrich Ludwig Manger, geboren 1728, gestorben 1790. 1763 wurde ich zum Inspektor der königlichen Bauten und 1775 zum Baudirektor ernannt. Ich war an der Errichtung des Neuen Palais im Westen des Parks Sanssouci beteiligt und habe mehrere Kasernen und Bürgerhäuser in Potsdam errichtet. Mein Schicksal unter dem Großen König war kaum schlechter als das meiner Kollegen, die die Ehre hatten, im Angesicht des Königs tätig zu werden. Knobelsdorff legte im April 1746 die Leitung des Baus am Schloss Sanssouci nieder und verlor die Gunst Friedrichs bis zu seinem Lebensende, mein Kollege Büring wurde wegen angeblich zu geringen Engagements beim Bau des Neuen Palais entlassen und landete im Schuldturm, und auch Gontard kannte nicht nur Sonnentage: 43 Tage lang war er in Spandau eingesperrt, länger als ich. Das ist meine Geschichte.

Am 19. Juli 1786 gab mir der König den Befehl, einen Kostenvoranschlag für sechs Treibmauern mit Glasfenstern für das Gelände hinter den Kolonnaden des Neues Palais einzureichen. Eine gärtnerische Anlage sollte den Park nach Westen hin abschließen. Der König drängte auf Eile, weil er schnell im Orient die Bäume bestellen wollte. Nachdem ich alle Maße genommen hatte, konnte ich am Morgen des 21. Juli die Kostenrechnung vorlegen. Auf 21.000 Taler war ich gekommen. Dabei hatte ich nicht nur an die Baukosten gedacht, sondern die Kosten für die Bäume mit einbezogen. Schließlich war ich nicht nur gelernter Baumeister, sondern auch Pomologe.

Was ich nicht wusste: Der König hatte sich selbst eine Vorstellung über die Kosten verschafft und war gerade einmal auf ein Drittel meiner Summe gekommen. Und was ich auch nicht wusste: Dem König waren in letzter Zeit anonyme Briefe zugegangen, die mich der „Unrechtschaffenheit“ bezichtigten. Früher hatte der König solchen Schreiben keine Beachtung geschenkt. Mit dem Alter wuchs allerdings sein Mißtrauen und seine Neigung, Einflüsterungen für die Wahrheit zu nehmen. Für meinen Anschlag könne er jedenfalls keinerlei Verständnis aufbringen, und so schickte er mich kurz angebunden hinaus. Unmittelbar danach beauftragte er den Baumeister Seidel aus Berlin, der gerade mit der Anlage eines Äquaduktes in Bornstedt befasst war, einen eigenen Kostenvoranschlag vorzulegen. Der hatte ihn in wenigen Stunden fertig: ein Drittel der von mir errechneten Kosten. Allerdings ohne die Bäume. 

Ohne der Sache auf den Grund zu gehen, ließ mich der König noch am gleichen Tage arretieren. Wie gesagt – Baumeister hatten seit jeher ein schweres Los bei ihm. Nun war ich an der Reihe. Ich wurde auf die Hauptwache des Regimentes Prinz von Preußen gebracht, mein Büro und die Arbeitsstube in meinem Wohnhaus wurden versiegelt. Für den König war ich ein Dieb, Betrüger, Spitzbube, Canaille. Justizbeamte gingen in Potsdam von Haus zu Haus und forderten die Bürgerschaft auf, alles anzuzeigen, was gegen Manger spräche. Auch die gesamte Garnison wurde befragt, wer etwas gegen mich vorbringen könnte. Alles ohne Erfolg. 

Es kam noch ärger. Alle Häuser, die unter meiner Bauleitung errichtet wurden, mussten genauestens vermessen und die in den Rechnungen genannten Materialien mit den wirklich notwendigen verglichen werden. Arrest, Untersuchung und das Ausmessen der Häuser dauerte an, als am 17. August der König für immer die Augen schloss. Dieser Tag war auch für mich ein Tag der Trauer. 

Dennoch: Friedrich Wilhelm, unser nachfolgender König, kam am Tag danach an der Wache vorbei, in der ich noch immer arretiert war. Er erinnerte sich meiner und entließ mich unmittelbar in die Freiheit. Was war das für eine Freude, als ich vor der Hauptwache von meinen Bauleuten empfangen und in fröhlichem Zug nach Hause geleitet wurde.

Girolamo Marchese Lucchesini (1751 – 1825)

Den die Hunde liebten

Ich bin hocherfreut, mich Ihnen vorstellen zu dürfen. Mein Name ist Girolamo Marchese Lucchesini. Würden wir uns heute irgendwo in Lucca, wo ich 1751 geboren wurde, treffen können, sollten Sie einfach  Gino zu mir sagen. Ich wurde 1780 Kammerherr Friedrichs des Großen, sein Bibliothekar und Vorleser und blieb es bis zu seinem Tode. Der König war bei meinem Eintreffen in Potsdam 68 Jahre alt und wirkte körperlich schon sehr zerbrechlich. Sein Geist aber war hellwach. Besucher empfing er kaum noch. Immer mehr waren es die Hunde, seine Windspiele, die die gesamte Aufmerksamkeit des Königs auf sich zogen. 

Mein Vorgänger Henri de Catt hatte es 22 Jahre beim König ausgehalten. Er führte Tagebuch über die Gespräche mit Friedrich und veröffentlichte das später. Ohne ihn wären die Friedrich-Biografen späterer Zeiten nur halb so schlau. De Catts Einnahmen erlaubten es ihm, eines der schönsten Stadtpalais von Potsdam zu bewohnen, und ihm wurde die Ehre zuteil, Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu sein. Plötzlich aber ließ ihn der König wie eine heiße Kartoffel fallen, angeblich wegen eines Damenbesuchs hinter seinem Rücken.

Aber ich möchte Ihnen viel lieber von den Hunden des Königs erzählen. Sie werden es kaum glauben, ich habe es der reizenden Alcmene, dem Lieblings-Windspiel des Königs, zu verdanken, dass ich mit 29 Jahren Kammerherr Friedrichs des Großen wurde. Denn als ich dem König vorgestellt wurde, sprang Alcmene an mir hoch und wedelte freudig mit dem Schwanz. Majestät waren sehr verblüfft über seine ansonsten gegenüber Fremden zurückhaltende Hündin und meinte: „Eh bien, Marquis! Wenn Alcmene ‚ja‘ sagt, kann ich schlecht widersprechen.“  Alcmene liegt gleich neben Schloss Sanssouci begraben, gleich neben dem König. Wenn Sie genau hinschauen, erkennen Sie ihren Grabstein. 

Ihrer Rasse nach waren die Hunde des Königs Italienische Windspiele. Sie stammen vom ägyptischen Windhund Tesem ab, der auf vielen antiken Darstellungen verewigt ist. Das (nicht der!) Italienische Windspiel besitzt in verfeinerter Form alle Merkmale des größeren Windhundes. Es wird nur 32  bis 38 cm groß und bis 5 kg schwer. Dieser Hund ist sehr graziös und elegant, er hat kurzes, feines, weich-seidiges Haar von Schwarz über Grau bis zu Gelb in vielen Nuancen.

Die Hunde des Königs genossen bei Hofe eine Stellung, die nur mit der eines Kammerherren vergleichbar war. Und wie bei seinen menschlichen Untergebenen, waren die Hunde genau in eine Hierarchie eingeordnet. Es gab einen Favoriten, bzw. eine Favoritin, die mit in seinem Bett schlafen durfte, die ihn stets begleiten durfte und der jede Ungezogenheit sofort verziehen war. Die anderen Hunde waren dem Favoriten als Gesellschafter zugeordnet.

Alle Hunde des Königs mussten von den Lakaien mit „Sie“ angesprochen werden – selbstverständlich auf Französisch. Selbst bei offiziellen Soupers mit hohen Staatsgästen durften sie an die Tafel kommen. Ich habe selbst erlebt, wie der König ein Stück Fleisch mit den Fingern von seinem Teller auf das Tischtuch legte, damit es kalt wurde, ehe er es an Alcmene verfütterte. Wie sein eigenes tägliches Menü ließ er sich auch oft das Hundemenü zeigen, um es zu überwachen. Nach der Mahlzeit wurden die Hunde in den Park geführt, um bei frischer Luft zu verdauen. 

Vor seinem Tod galten die letzten Gedanken Friedrichs seinen Hunden. Am frühen Morgen des 17. August 1786, gegen 1 Uhr, saß der völlig geschwächte König in einem Sessel, den er sich wenige Wochen vorher hatte anfertigen lassen, weil er vor Schmerzen nicht mehr liegen konnte. Das Windspiel Superbe war bei ihm und zitterte wie er selbst vor Kälte. Kaum noch zu verstehen, befahl er, Superbe mit Kissen zu bedecken. Es soll seine letzte bewusste Äußerung gewesen sein. 

Friedrich Wilhelm von Derschau (1723 – 1779)

Friedrich und die Butter

Gestatten, Friedrich Wilhelm von Derschau, Wirklicher und Geheimer Etats- und Kriegsrat Seiner Majestät Friedrich II. und Vizepräsident des Kriegs- und Domänendirektoriums. Kurz, ich war so etwas wie ein Wirtschaftsminister und als solcher auch für die Ansiedlung von Kolonisten in der Kurmark zuständig. Am Dossebruch haben die Siedler sogar eine Ortschaft nach mir benannt: Großderschau. Dort werden die Besucher gern mit frischer Butter bewirtet. Daher möchte ich darüber berichten, was der große König für die Butter in Brandenburg getan hat.

Ort der Handlung ist das Havelland. Die Gebiete entlang von Rhin und Dosse waren dereinst ein riesiges, für die Landwirtschaft fast unbrauchbares Auengebiet. Bereits zur Zeit des Großen Kurfürsten, der genau in dieser Gegend, bei Fehrbellin, die wichtigste Schlacht seines Lebens gegen die Schweden gewann, begann die Urbarmachung. Die holländische Ehefrau des Kurfürsten, Luise Henriette von Oranien, siedelte hier Kolonistenfamilien aus ihrer Heimat an. Schließlich hatten die Holländer Erfahrung darin, wasserreiche Gebiete nutzbar zu machen. Und was taten sie? Sie nutzten die feuchten Wiesen als Weiden für ertragreiche Rinder und betrieben eine erfolgreiche Milchwirtschaft. Sie belieferten den Berliner Hof mit Butter und Käse. 

Spätere Generationen von Landesherren waren der Meinung, dass das Potenzial an Rhin und Dosse längst nicht ausgeschöpft war, und man begann mit planmäßigen Trockenlegungen. Der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. ließ das Havelländische Luch bändigen und fruchtbare Weiden und Äcker schaffen. Es hieß, nun habe man von einer Kuh soviel an Butter und Käse gehabt, als zuvor von zehn Kühen. Der König befahl die Gründung einer Lehranstalt für Butter- und Käsezubereitung, angesiedelt in Königshorst. Ausgesuchte Bauerntöchter hatten dort unter holländischer Anleitung eine Lehrzeit zu absolvieren. Eine Probe des Könnens jeder Absolventin sollte auf die Tafel des Königs kommen. Wenn sie ihm mundete, gab es einen Brautschatz von 24 Talern. Den Mädchen, die am besten buttern konnten, winkten sogar 100 Taler. 

Aber es kam, wie es oft kommt: Nicht jeder gute Anfang hat ein gutes Ende. Den Brautschatz wollten alle, aber gut buttern konnten nur wenige. Am 21. Dezember 1779 beschwerte sich Friedrich der Große: Die Butter aus Königshorst ist nicht so gut wie sie sein sollte. Dem König des drastischen Ausdrucks wird auch noch folgender Satz zugeschrieben: „Wenn sich die Beamten und Lehrmeister mehr um den Busen der Mägde und Bauerntöchter als um das Euter der Kühe kümmern, dann soll sie der Teufel holen.“ Sollte Friedrich das wirklich auf Deutsch gesagt haben, dann gewiss mit viel mehr Fehlern beim Gebrauch der deutschen Sprache.

Das Ergebnis des königlichen Zorns war die Gründung einer „Ordentlichen Akademie des Buttermachens“ im Jahr 1780. Auch diesmal wurden holländische Spezialisten zu Hilfe geholt. In den Jahren davor hatte Friedrich II. durch Rhinluch und Dossebruch weitere Gräben und Kanäle ziehen lassen. Wieder war Neuland entstanden. 1778 waren 25 neue Ortschaften für 1500 Ansiedler gegründet. Unter den Kolonisten, die sich dort ansiedelten, waren viele Holländer. Die Butterherstellung im Havelland florierte. 1786 schrieb ein Zeitzeuge: „Die daselbst erzeugte wohlschmeckende holländische Tischbutter, womit sich besonders ganz Berlin ergötzet, ist … zur Genüge bekannt.“ Eine dieser Ortsgründungen war Großderschau. Hier werden die Traditionen des Butterns bis heute hochgehalten. 

Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Maler und Architekt (1699 – 1753)

Der Laie und sein Genie

Unausstehlich sind für mich die Laien, die meinen, dem Fachmann ständig angeblich gute Ratschläge erteilen zu müssen. Und ganz besonders schlimm wird es, wenn der Laie oberster Machthaber seines Landes ist und generell in alles hineinredet. Typische Despotenmanier. Genau diese Situation mussten die allermeisten Architekten unter Friedrich II. erleiden. Nur wer bereit war, sich dem Diktat des Königs in Bauangelegenheiten zu beugen, hatte nichts auszustehen. Sie werden fragen: Warum sind in der Regierungszeit Friedrichs II. so viele künstlerisch wertvolle Bauwerke entstanden? Weil er eben ein sehr kunstverständiger Laie war, einer, der sich zum Schönen hingezogen fühlte. 

Sie erkennen aber sein laienhaftes Herangehen an die Baukunst sofort, wenn Sie versuchen, die äußere Form und die innere Funktion ins Verhältnis zu setzen. Da stimmt nichts! Und wenn etwas stimmt, dann ist das nicht das Verdienst des Königs. Ihm war es egal, ob sich die Fenster eines Wohnhauses am Fußboden entlangziehen, wenn der Bau nur von außen klassisches Ebenmaß aufweist. Oder Schloss Sanssouci. Was hab ich gebeten und gebettelt, er möge bei seinem Weinbergschloss eine Kelleretage einplanen. Nein, er wollte Innen (die Kultur) und Außen (die Natur) möglichst auf einer Ebene halten und zwischen beiden mühelos wechseln können. In diesem Fall musste er selbst leiden: immer kalte Füße, viel Feuchtigkeit in den Wänden – da ist man Rheuma und Gicht schutzlos ausgeliefert, auch wenn man sich König nennen darf.

Genug des Lamentierens: Ich bin Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, geboren im letzten Jahr des kriegerischen 17. Jahrhunderts als Sohn pommerscher Landadliger und somit vorbestimmt für den Militärdienst. Als ich mich1730 in die Dienste des damaligen Kronprinzen begab, zunächst in Neuruppin und dann in Rheinsberg, war das auf dem Gebiet meiner wahren Leidenschaft – der Architektur und der Künste. Die Doppelturmanlage des Schlosses zu Rheinsberg ist mein Werk. Ich war Friedrich ein Freund, ein Lehrer, ein Diener. Zwar war ich 13 Jahre älter als Seine Majestät, aber wenn zwei Hitz- und Dickköpfe aufeinanderprallen, treten Standes- und Altersunterschiede zurück. Und wissen Sie, was das Verrückteste ist? Ich war selbst nur ein Autodidakt, habe als Laie angefangen und mir selbst verschiedene Künste beigebracht: Ich betätigte mich als Maler, Gartengestalter, Dekorateur, schließlich als Architekt. Mit der Königlichen Oper Unter den Linden in Berlin löste ich eine höchst anspruchsvolle Aufgabe. Ein derart großes Theatergebäude hatte es bis dahin in Preußen nicht gegeben. Ich orientierte mich an den besten Vorbildern, den Bauwerken der Antike, dem Renaissance-Baumeister Palladio, dem Rokoko-Maler Antoine Watteau, dem Hofmaler Antoine Pesne, mit dem ich bis zum Tode befreundet blieb.

Ich möchte hier nicht nur schlechte Worte über König Friedrich verlieren, obwohl das, was heute in den Geschichtsbüchern als „Zerwürfnis“ beschrieben wird, ein Rausschmiss erster Güte war. Bedenken Sie: Gemeinsam haben wir einen eigenen Baustil hervorgebracht: das fridericianische Rokoko. Ein Schloss nach dem anderen haben wir gebaut – in Charlottenburg, in Potsdam und auf dem Weinberg bei Potsdam. Als aber der König glaubte, andere Baumeister würden es ebenso gut können, durfte ich nur noch Kasernengebäude für die Garde du Corps, die berittene Leibgarde des Königs, entwerfen. 

1750 haben sich der König und ich zum letzten Mal gesehen. Ich starb mit gerade 54 Jahren. Vier Monate nach meinem Tod hielt der König im Januar 1754 in der Berliner Akademie der Wissenschaften eine Lobrede auf mich. Es war wohl ein einmaliger Vorgang, dass ein königlicher Bauherr eine solche Würdigung ausspricht. In seiner Rede sagte der König: „Es ist ein Kennzeichen des Genies, dass es seinen natürlichen Neigungen unbezwinglich folgt und klar erkennt, wozu es geschaffen ist.“ Wenn er das nur schon zu meinen Lebzeiten so gesehen hätte!

Johann Ernst Gotzkowsky (1710 – 1775)

Porzellan für den preußischen Hof

Mein Name ist Johann Ernst Gotzkowsky. Stimmt‘s, jetzt überlegen Sie, wo Sie den Namen schon einmal gehört haben. Ich helfe Ihnen: In Berlin-Moabit gibt es eine nach mir benannte Straße, die direkt auf die Spree zuführt, und dort ist auch noch eine große Brücke nach mir benannt. Na, zumindest haben mich die Berliner nicht vergessen. Aber in bitterster Armut sterben lassen, das haben sie mich. Obwohl ich einmal ihr gefeierter Held und Wohltäter war. Ja, so kann es gehen. 

Aber heute wollen wir von schöneren Dingen sprechen. Von edelstem Porzellan zum Beispiel. Unser König Friedrich kannte mich als einen Mann, dem alles gelang, was er nur anpackte. Und ich packte nur das an, was wirklich Gewinn versprach. Die persönlichen Bedürfnisse des Königs, seiner Angehörigen, der allerbesten Berliner Gesellschaft waren es, die mir die Richtung wiesen. Ich handelte mit Luxusgütern und stellte selbst feinste Stoffe her. Auch in den Kunsthandel stieg ich ein. Als Majestät seine Bildergalerie im Park Sanssouci errichten ließ, war ich es, der für die Gemälde sorgte. Ich war wer, das können Sie mir glauben, und alles aus eigener Kraft. Wenn Sie jetzt sagen, ohne meine guten Beziehungen nach oben wäre nichts gelaufen, dann sage ich Ihnen: Kommen Sie erst mal zu guten Beziehungen und halten Sie sie lange am Leben. Das ist eine Herkules-Aufgabe!

Der Siebenjährige Krieg war mein Schicksal. Ich besaß das Vertrauen des Königs und unterhielt gleichzeitig Verbindungen zur Gegenseite, zu Russen und Sachsen. Kriegsfeinde. Als die Russen im Oktober 1760 für eineinhalb Wochen Berlin besetzten, war ich es, der unter Lebensgefahr die Verhandlungen führte, der die russischen Offiziere bestach, das Geld für die Kontribution auftrieb und letztlich die Berliner vor Plünderungen bewahrte. 

Nur vier Wochen nach diesem Abenteuer empfing mich unser König auf der Albrechtsburg zu Meißen, wo er sein Hauptquartier eingerichtet hatte. Er hatte um sich herum einige Porzellan-Figuren aufgestellt und sagte, dass er sich nach dem Krieg in Preußen ebenfalls eine Fabrik wünscht, die dergleichen Schönheit herzustellen vermag. Sein Wunsch war mir Befehl, denn einerseits gab es mit dem König bereits einen zahlungskräftigen Kunden, und andererseits Bestand die Möglichkeit, Fachkräfte aus Meißen nach Berlin abzuwerben. 

Dennoch gestaltete sich das Vorhaben extrem schwierig. Die Meißner Arkanisten – also jene Geheimnisträger, die die genaue Materialzusammensetzung kannten – befanden sich unerreichbar außer Landes. Auch Porzellanmaler waren rar. Aber zum Glück gab es hier und da Leute, die sich bereits mit der Porzellanherstellung befassten. Die musste ich nur für mein Vorhaben begeistern. Mit ausreichend Geld gelang das. Dort, wo heute am Ende der Leipziger Straße der Bundesrat sein Gebäude hat, baute ich die Berliner Porzellanmanufaktur. Fast 150 Beschäftigte hatten wir dort.

Das Vorhaben erwies sich allerdings als ein finanzielles Fass ohne Boden. Die Aufbereitung des Materials, die Brennöfen, die Farben – Sie glauben nicht, was da alles stimmen muss, damit ein erstklassiges Porzellan entsteht. Wir haben es geschafft! Und das mitten im Krieg, in Zeiten bitterster Not. Wir hatten die Fabrik und das Porzellan, aber niemand hatte das Geld, unsere Produkte zu kaufen. Auch der König zeigte sich zurückhaltend. Mir gingen mehr und mehr die Mittel aus. Kaum war der Krieg zu Ende, kam die nächste Katastrophe: ein allgemeiner Bankenkrach. Ich verlor mein gesamtes Vermögen und sah mich gezwungen, die Porzellanfabrik zu verkaufen. Zum Glück zeigte der König Interesse. Wir setzten einen Vertrag auf, am 10. September 1763 gingen alle entscheidenden Unterlagen an den Hof und bereits einen Tag später kamen Majestät in die Leipziger Straße, um seine Erwerbung zu visitieren: die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin. Ich selbst versuchte mich noch als Porzellan-Händler. Aber – wie ich bereits schilderte – ohne Erfolg.

Carl Friedrich Bückling (1756 – 1812)

Die zweite Erfindung der Dampfmaschine

Ich wurde 1756 in Neuruppin geboren. Hier diente Kronprinz Friedrich als Kommandeur bis zur Thronbesteigung 1740. Dem König bin ich persönlich nie begegnet, jedoch hat er auf mein Leben einen großen Einfluss ausgeübt. Ich gelte als der Preuße, der die erste Dampfmaschine nach Wattscher Bauart fertigte. Und das auf Befehl unseres Königs. Lange Zeit suchten Ingenieure und Scharlatene gleichermaßen fieberhaft nach einer Kraft, die stark genug ist, das Grubenwasser aus den tiefen Kohle- und Erzschächten nach oben zu befördern. Weder Menschen, noch Tierkraft reichten hierfür aus. Windmühlen waren da schon sinnvoller – aber was tun bei Windstille? Der gute Johann Esaias Silberschlag, nach dem später sogar ein Mondkrater benannt wurde, schrieb an Friedrich II. und machte ihn auf die in England, Ungarn und Schweden bereits eingesetzte Maschine mit Dampfantrieb aufmerksam. Der schob alle Bedenken beiseite und befahl, dieses Wunderwerk herbeizuschaffen.

Am 23. April 1778 erhielt Oberbergrat Freiherr Waitz von Eschen per Ordre König Friedrichs II. den Auftrag, nach England zu reisen und dort die Konstruktion der Wattschen Dampfmaschine, deren Effekt und Kosten zu erkunden und entsprechende Zeichnungen anzufertigen. Ich war damals im preußischen Berg- und Hüttendepartment in Berlin als Bauinspektor angestellt und fühlte mich sehr geehrt, dass man mich als Reisegefährten auswählte. Noch im Mai traten wir unsere Reise an. In Birmingham angekommen, lud uns Mister Watt zu einer Besichtigung durch seine Fabriken ein. 

Er zeigte uns stolz seine neuartige Dampfmaschine und plauderte über alle möglichen Details dieser Erfindung: über ihren Wirkungsgrad, die effektivste Zuführung des Dampfes, die Regelung etc. Am Tag nachdem wir in Watts Haus gespeist hatten, fuhren wir noch einmal in die Fabrik, bestachen einen Arbeiter, damit er die Maschine in allen Einzelheiten auseinanderbaue und ich von allen Teilen Zeichnungen machen konnte. 

Auf Grundlage meiner Zeichnungen hatten wir 1783 ein Modell der Wattschen Dampfmaschine fertig. Ich gebe zu, es funktionierte nicht perfekt. Trotzdem bewilligte der König das Geld für den Bau einer richtigen Dampfmaschine für die Kupfergrube in Hettstedt am Rande des Harzes. Mir übertrug man die Oberaufsicht über das Projekt. Die Aufgabe bestand schlicht und einfach darin, die Dampfmaschine ein zweites Mal zu erfinden. 

Einerseits musste ich stets befürchten, dass meine Zeichnungen zu ungenau waren und ich wichtige Details übersehen hatte, andererseits mangelte es uns an den nötigen Materialien. Zum einen wiesen die vorhandenen Werkstoffe nicht die ausreichende Festigkeit auf, andererseits benötigten wir für die Befeuerung Brennstoffe mit sehr hohem Heizwert. Aber Koks gab es bei uns praktisch nicht. Es gelang mir vor allem nicht, die Ein- und Auslassventile nach Belieben zu regeln.

Zum Glück erhielt ich Gelegenheit zu einer zweiten Reise nach England. Diesmal gelang es mir, mit viel Bestechungsgeld einen englischen Ingenieur abzuwerben. Er hieß William Richards und folgte mir nach Preußen. Wir besaßen nun die exakten Baupläne für eine eigene Dampfmaschine nach Watts Vorbild. Aber seine Mitarbeit schien anfangs vergebens. Die Steuerung funktionierte zwar einwandfrei, doch war das Material nach wie vor zu verschleißanfällig. Erst als es mir gelang, eine Firma ausfindig zu machen, die die Geräte in erforderlicher Qualität herstellen konnte, konnten die Probleme gelöst werden. Danach arbeitete die Maschine einwandfrei. Am 23. August 1785 haben wir die erste Dampfmaschine Wattscher Bauart feierlich in Betrieb genommen. Das Aufatmen war groß. Die von der Dampfmaschine betriebenen Pumpen zeigten, was sie konnten. Der König durfte diesen Erfolg ein Jahr vor seinem Tod noch erleben.