Heinrich Ludwig Manger (1728 – 1790)
Vom gefährlichen Leben der Baumeister
Ich bin Heinrich Ludwig Manger, geboren 1728, gestorben 1790. 1763 wurde ich zum Inspektor der königlichen Bauten und 1775 zum Baudirektor ernannt. Ich war an der Errichtung des Neuen Palais im Westen des Parks Sanssouci beteiligt und habe mehrere Kasernen und Bürgerhäuser in Potsdam errichtet. Mein Schicksal unter dem Großen König war kaum schlechter als das meiner Kollegen, die die Ehre hatten, im Angesicht des Königs tätig zu werden. Knobelsdorff legte im April 1746 die Leitung des Baus am Schloss Sanssouci nieder und verlor die Gunst Friedrichs bis zu seinem Lebensende, mein Kollege Büring wurde wegen angeblich zu geringen Engagements beim Bau des Neuen Palais entlassen und landete im Schuldturm, und auch Gontard kannte nicht nur Sonnentage: 43 Tage lang war er in Spandau eingesperrt, länger als ich. Das ist meine Geschichte.
Am 19. Juli 1786 gab mir der König den Befehl, einen Kostenvoranschlag für sechs Treibmauern mit Glasfenstern für das Gelände hinter den Kolonnaden des Neues Palais einzureichen. Eine gärtnerische Anlage sollte den Park nach Westen hin abschließen. Der König drängte auf Eile, weil er schnell im Orient die Bäume bestellen wollte. Nachdem ich alle Maße genommen hatte, konnte ich am Morgen des 21. Juli die Kostenrechnung vorlegen. Auf 21.000 Taler war ich gekommen. Dabei hatte ich nicht nur an die Baukosten gedacht, sondern die Kosten für die Bäume mit einbezogen. Schließlich war ich nicht nur gelernter Baumeister, sondern auch Pomologe.
Was ich nicht wusste: Der König hatte sich selbst eine Vorstellung über die Kosten verschafft und war gerade einmal auf ein Drittel meiner Summe gekommen. Und was ich auch nicht wusste: Dem König waren in letzter Zeit anonyme Briefe zugegangen, die mich der „Unrechtschaffenheit“ bezichtigten. Früher hatte der König solchen Schreiben keine Beachtung geschenkt. Mit dem Alter wuchs allerdings sein Mißtrauen und seine Neigung, Einflüsterungen für die Wahrheit zu nehmen. Für meinen Anschlag könne er jedenfalls keinerlei Verständnis aufbringen, und so schickte er mich kurz angebunden hinaus. Unmittelbar danach beauftragte er den Baumeister Seidel aus Berlin, der gerade mit der Anlage eines Äquaduktes in Bornstedt befasst war, einen eigenen Kostenvoranschlag vorzulegen. Der hatte ihn in wenigen Stunden fertig: ein Drittel der von mir errechneten Kosten. Allerdings ohne die Bäume.
Ohne der Sache auf den Grund zu gehen, ließ mich der König noch am gleichen Tage arretieren. Wie gesagt – Baumeister hatten seit jeher ein schweres Los bei ihm. Nun war ich an der Reihe. Ich wurde auf die Hauptwache des Regimentes Prinz von Preußen gebracht, mein Büro und die Arbeitsstube in meinem Wohnhaus wurden versiegelt. Für den König war ich ein Dieb, Betrüger, Spitzbube, Canaille. Justizbeamte gingen in Potsdam von Haus zu Haus und forderten die Bürgerschaft auf, alles anzuzeigen, was gegen Manger spräche. Auch die gesamte Garnison wurde befragt, wer etwas gegen mich vorbringen könnte. Alles ohne Erfolg.
Es kam noch ärger. Alle Häuser, die unter meiner Bauleitung errichtet wurden, mussten genauestens vermessen und die in den Rechnungen genannten Materialien mit den wirklich notwendigen verglichen werden. Arrest, Untersuchung und das Ausmessen der Häuser dauerte an, als am 17. August der König für immer die Augen schloss. Dieser Tag war auch für mich ein Tag der Trauer.
Dennoch: Friedrich Wilhelm, unser nachfolgender König, kam am Tag danach an der Wache vorbei, in der ich noch immer arretiert war. Er erinnerte sich meiner und entließ mich unmittelbar in die Freiheit. Was war das für eine Freude, als ich vor der Hauptwache von meinen Bauleuten empfangen und in fröhlichem Zug nach Hause geleitet wurde.