Kategorie: <span>F.d.G. Familie</span>

Friedrich Wilhelm II. (1744 – 1797)

Neffe und Nachfolger

Es gehört nun einmal zu den Hausgesetzen der Hohenzollern, dass der Zweitgeborene in die Nachfolge tritt, wenn der Erstgeborene ohne Thronerbe bleibt. Da spielte es keine Rolle, ob der eine nicht wollte oder nicht konnte, ob zwischen den Brüdern Eintracht herrschte oder gar Verachtung und schon gar nicht wurde danach gefragt, ob einer fürs Regierungsgeschäft taugte oder nicht. Auch dem großen König war dieses Gesetz heilig. Sonst hätte er es als Oberhaupt der Familie nicht erlaubt, dass der von ihm ins Schloss Oranienburg verstoßene August Wilhelm weiter als „Prinz von Preußen“ und damit als Thronfolger fungierte. Aber das Schicksal wollte es, dass er nicht einmal 36 Jahre alt wurde. So machte die dynastische Logik mich zum Anwärter auf den Thron. Ich war zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt. 

Friedrich der Große zog es allerdings vor, noch 28 Jahre die Herrschaft über Preußen auszuüben. In dieser Zeit durfte ich mich nun zwar als „Prinz von Preußen“ ansprechen lassen, aber behandelt wurde ich vom alten König wie ein Laufbursche. Er mochte mich vielleicht noch weniger als meinen Vater. Ich erhielt eine äußerst strenge Soldatenerziehung. Fast täglich musste ich auf der Potsdamer Parade erscheinen. Wenn ich nach Berlin wollte, musste ich um Erlaubnis fragen, zu den Tafelrunden auf Schloss Sanssouci war ich im Gegensatz zu anderen Mitgliedern der Familie nicht zugelassen. 

Wissen Sie, was er ein Jahr vor seinem Tod dem Grafen Karl Georg von Hoym anvertraute? „Ich werden Ihnen sagen, wie es nach meinem Tode gehen wird, es wird ein lustiges Leben am Hofe werden, mein Neffe wird den Schatz verschwenden, die Armee ausarten lassen. Die Weiber werden regieren und der Staat wird zugrunde gehen.“ Sollte ich den Alten etwa Lügen strafen. Ich gab mir jedenfalls Mühe, ihn im Recht zu lassen.

Man gestattete mir in jungen Jahren nicht, Kind zu sein. Meine Erziehung glich einer Dressur, als meine Hauslehrer Mitglieder der Königlichen Akademie der Wissenschaften herangezogen. Selbstverständlich fast nur französische. So, wie König Friedrich das Flötenspiel liebte, war ich ein Freund des Cellos. Sogar das Genie Mozart kam, um mit mir zu spielen. Die militärische Ausbildung entsprach dem Drill, den auch die preußischen Grenadiere zu erdulden hatte. 

Wir waren nun einmal aus gänzlich unterschiedlichem Holz geschnitzt. Er war ein Menschenfeind, lebte weitgehend zurückgezogen und zeigte kaum Interesse an Frauen. Ich dagegen achtete die Menschen und redete sie mit „Sie“ an, nicht mit „Er“ wie mein Oheim, ich widersetzte mich der höfischen Etikette, war wohlwollend zu Untergebenen. Auf mein Geheiß hin wurde das Theater am Gendarmenmarkt zum deutschen Nationaltheater. 

Ich wurde wegen meiner zahlreichen Mätressen belächelt. Aber fügte ich mich damit nicht in den Chor der an den europäischen Höfen herrschenden Gepflogenheit ein? Besucher bezeichneten mich als „schönen Mann, regelmäßig gebaut, braunes Haar und blaue Augen und sehr angenehme Züge“. Sollte ich mich also den Damen verweigern? Aber kann man Wilhelmine Encke tatsächlich als Mätresse bezeichnen?  Wir hatten sechs gemeinsame Kinder, und wir führten lange Zeit eine normale, bürgerliche Ehe. Sogar Friedrich der Große akzeptierte sie und erkannte sie als offizielle Mätresse an. 

Auf meine permanenten Geldsorgen möchte ich hier nicht eingehen. Mein Onkel hat es streng vermieden, mich in die politischen Abläufe seiner Regierung einzuführen. Also gelangte ich gänzlich unerfahren auf den Thron. Was blieb mir anderes übrig, als mich auf eine Kabinettsregierung zu verlassen. Wie sich zeigte, war das das größte Malheur meiner Regentschaft, denn schlichte Ratgeber schlichen sich in Scharen ein.

Prinz Heinrich (1726 – 1802)

Der kleine Bruder

Ich bin Prinz Heinrich, geboren als 13. Kind meiner Eltern Friedrich Wilhelm I. und Sophie Dorothea. Wie mein Bruder Friedrich, der als erstgeborener Sohn natürlicher Thronerbe war, kam ich zur Berliner Ballsaison im Januar zur Welt, aber nicht wie er als Sonntagskind. Ich kam an einem Freitag. Obwohl viele meinten, ich sei an Geisteskräften, Charakterstärke und Umsicht meinem ältesten Bruder überlegen, konnte ich mir niemals Hoffnung machen, den preußischen Thron zu besteigen. Einen anderen schon. Wussten Sie, dass mir zweimal die polnische Krone angetragen wurde und nur die Intervention meines Bruders Friedrich verhinderte, dass ich eine Herrschaft an der Weichsel übernahm. Dass ich König der USA werden sollte, wurde niemals ernsthaft erörtert. Aber eine Option war es für den Fall, die Gründungsväter der Vereinigten Staaten hätten sich anstelle einer Republik für eine Monarchie entschieden. Dass ich überhaupt ins Gespräch kam, mag wohl darin begründet gewesen sein, dass ich als Mensch mit liberalen Ansichten und viel diplomatischem Geschick galt. Übrigens hatte ich keine Probleme mit den französischen Revolutionären. Bei den Berliner Hofschranzen hatte ich den Spitznamen „Jakobiner“. Meinen politischen Rat wollte bei Hofe keiner hören. Vielleicht wollten sie nicht hören, dass das alte Preußen dem Untergang entgegenwankte. Zum Glück musste ich das Debakel von Jena und Auerstädt nicht miterleben. Ich hatte diese Welt vier Jahre zuvor verlassen.

Nun sollte ich Ihnen aber meine Meinung über meinen Bruder Friedrich mitteilen. Welche Meinung wollen Sie hören? Die des dankbaren kleinen Bruders, der in Berlin von ihm ein Palais, fast so groß wie das ganze Schloss, und außerdem noch das Rheinsberger Anwesen geschenkt erhielt und der an seiner Seite eine glanzvolle militärische und diplomatische Karriere machen konnte (mein Bruder meinte später, ich sei der einzige General im Siebenjährigen Krieg gewesen, der keinen Fehler beging). Oder wollen Sie die Meinung eines Bruders hören, der vom Älteren ebenso despotisch behandelt wurde wie der einst von seinem Vater? Auch ich musste in eine Zwangsheirat einwilligen, um dem herrischen Regime zu entkommen. Nur war es das von Bruder Friedrich. 

Die mir zugeschriebenen Zitate, ich habe meinen Bruder als „Hanswurst“, „die gemeinste Bestie, die Europa hervorgebracht hat“, „unser Wüterich“ und ähnlich beschrieben, kann ich nur bestätigen. Man sagt, das erste Denkmal für Friedrich „den Großen“ stehe in Neuhardenberg. Das 1792 errichtete Monument  zeigt die Dichtergöttin Minerva und den Kriegsgott Mars, wie sie Friedrich betrauern. Ich sage Ihnen aber, dass ich gegenüber meinem Rheinsberger Schloss bereits 1790 ein Denkmal errichten ließ. Nur erinnert das nicht an die großen Taten Friedrichs, sondern an seine Missetaten. Der weithin sichtbare Obelisk erinnert an 29 Heerführer, die Opfer der „Kriegskunst“ Friedrichs wurden oder schwer unter ihm zu leiden hatten. Es bestand kein Grund, den König selbst dort zu verewigen. Auch das ist ein Denkmal! Ein sehr ehrliches.

Aber vielleicht sollte ich viel mehr über die schönen Dinge berichten, und die haben viel mit Rheinsberg zu tun. Später sollte das Schloss am Grienericksee als der Ort in die Geschichte eingehen, wo Friedrich ein paar schöne Jahre als Kronprinz verlebt hat. Ich habe dort 50 Jahre verlebt (nur vom Krieg unterbrochen). Und was für Jahre! Wir unterhielten hier einen Musenhof, um den uns selbst die Berliner beneiden konnten. Mindestens zweimal in der Woche gab es Theater, der Park wurde zur Sehenswürdigkeit und wir gründeten eine Fayencemanufaktur. Wir feierten Feste, die keiner vergaß. Höhepunkt war der Geburtstag meines jüngeren Bruders Ferdinand am 25. Mai. Stets gab es eine neue Theaterinszenierung und einen rauschenden Ball. Und es gab eine Bauernhochzeit. Dafür suchte ich mir ein armes Bauernpaar aus, kleidete es ordentlich ein und spendierte allen Gästen das Hochzeitsessen in meinem Park. Ich und unser gesamter Hofstaat nahmen – selbstverständlich in Bauerntracht gekleidet – daran teil. Wenn Sie mögen, besuchen Sie mein Grab nicht weit vom Rheinsberger Schloss. Es ist eine Pyramide, der die Spitze weggebrochen wurde.

Wilhelmine von Bayreuth (1709 – 1758)

Die geliebte Schwester

Ich bitte Sie, versäumen Sie beim Besuch des Parks von Sanssouci keinesfalls, mir Ihre Aufwartung zu machen. Sie sind stets willkommen. Vielleicht müssen Sie mich ein wenig suchen. Abseits der Hauptallee, kurz vor dem gewaltigen Neuen Palais, finden Sie den Freundschaftstempel; und dort sitze ich, einen Brief in der Hand, und es ist nicht schwer zu erraten, von wem er stammt. Von meinem kleinen Bruder Fritz, den Sie als den „Großen“ bezeichnen.  Wir beide wissen, was es heißt, ein „Königskind“ zu sein: Lieblosigkeit, Strenge und Entbehrungen. Ich vergaß, mich vorzustellen. Mein Name ist Friederike Sophie Wilhelmine;  geboren wurde ich am 3. Juli 1709. Just zu dieser Zeit fand das „Dreikönigstreffen“ statt und mein Großvater Friedrich I. in Preußen hatte hohen Besuch: König Friedrich IV. von Dänemark und August der Starke, König von Polen und Kurfürst von Sachsen. Dieses Königstreffen war ein rauschendes Fest, und alle drei wurden meine Taufpaten. Ist das nicht entzückend, wenn man bedenkt, dass sich mein Vater viel lieber einen Knaben gewünscht hätte, denn bei uns Hohenzollern gibt es nur eine männliche Thronfolge. 

Meine Kindheit und die meines drei Jahre jüngeren Bruders habe ich in meinen Memoiren geschildert.  Dort können Sie nachlesen, wie mein Vater mich, aber viel mehr meinen Bruder, tyrannisierte. Jeder Berliner Tagelöhner hätte sich so gegenüber dem eigenen Kind aufgeführt. Ich aber liebte meinen Bruder und schrieb in meinen Memoiren: „Er war der liebenswürdigste Prinz, den man sehen konnte, hübsch gewachsen, voll Geistesüberlegenheit und mit allen Eigenschaften, die einen vollkommenen Fürsten zieren, versehen.“ Ich selbst hatte unter meiner Erzieherin Leti zu leiden, sie schlug mich und behandelte mich grob. Meinen Eltern aber konnte ich mich nicht anvertrauen, denn auch sie lebten im Dauerzwist. Ein Wunder, dass meine Mutter vierzehn Kinder gebar, von denen zehn das Erwachsenenalter erreichten. 

Sie müssen wissen, dass meine Mutter aus dem Hause Hannover kam, das den englischen Thron besetzte. Ihr Vater war der englische König Georg I. Da liegt es nahe, dass meine Mutter eine Verbindung zwischen dem mächtigen England und dem armen Preußen herbeiführen wollte. Und das durch meine Vermählung mit dem englischen Thronfolger. Für meinen Vater war ich aber ein beliebiger Spielball seiner politischen Interessen. Zunächst schwankte er, ob er den Ball in Richtung England oder in Richtung Habsburgisches Kaiserreich spielen sollte, aber die österreichischen Einflussagenten leisteten ganze Arbeit: Ich wurde nicht Königin von England, sondern Markgräfin von Bayreuth. Welch Gegensatz! Aber ich will nicht klagen. Ich liebte meinen Angetrauten – solange er mir treu war.

Mein Bruder Fritz und ich blieben uns immer innig verbunden – während seiner Festungszeit in Küstrin und seiner Jahre in Rheinsberg. Als Fritz König wurde, gerieten wir in Gegensätze, die sogar in eine Sprachlosigkeit mündeten. Aber wir beide fanden einen Trick, unsere Verbindung zu retten: Wir ließen unsere Lieblingshunde miteinander korrespondieren.  Und die verrieten uns, was der jeweils andere dachte. Diese Zeit war für mich sowohl traurig, als auch lustig. Irgendwann war alles wieder im Lot und ich konnte endlich nach Berlin reisen, um Fritz zu besuchen. Dort traf ich wichtige Herren, den Philosophen Voltaire zum Beispiel oder den Musiker Quanz. Ich bemühte mich in Bayreuth so gut es nur ging, einen anspruchsvollen Hof zu führen.  Ich gründete eine Universität und eine Kunstakademie. Sogar eine Oper hab ich komponiert. Aus Bayreuth holte sich mein Bruder übrigens bedeutende Architekten für die Ausgestaltung seiner Residenz Potsdam. 

Einen Krieg gleichzeitig gegen Österreich, Russland und Frankreich zu führen, hielt ich für ein großes Unglück. Ich starb am 18. Oktober 1758, da war ich noch nicht einmal 50 Jahre alt. Mein Bruder Fritz erlitt am gleichen Tag bei Hochkirch mit seinen Truppen eine schmerzhafte Niederlage.

August Wilhelm von Preußen (1722 – 1758)

Der unglückliche Bruder

Ich bin August Wilhelm, Prinz von Preußen. Dieser Titel besagt, dass ich Thronfolger war. 1744 hat ihn mir der König, mein älterer Bruder, feierlich verliehen. 14 Jahre später war ich tot. Ich starb im Alter von 35 Jahren auf Schloss Oranienburg, wie es später hieß, „an gebrochenem Herzen“. So wurde mein Sohn zum Stammvater aller weiteren Hohenzollern auf dem preußischen und später deutschen Thron. 

Was war geschehen? Als mein Bruder 1712 geboren wurde, war unser Vater froh, endlich einen Thronfolger zu haben. Aber er merkte schnell, dass dieser Sohn schwer zu kontrollieren war. Sein Charakter war ganz anders, als er ihn sich wünschte. Als ich zehn Jahre später auf die Welt kam, war er glücklich über einen Ersatzthronfolger – für alle Fälle. Ich war offenbar genau so, wie er sich einen Sohn wünschte: klug und diszipliniert, ein kleiner Soldat. Trotz allem, auch mein älterer Bruder mochte mich: Ich hätte „den besten Charakter der Welt“. Als er in Rheinsberg lebte, war ich es, der ihn stets mit Neuigkeiten aus dem Elternhaus versorgte.

Als mein Bruder König wurde und bald darauf in den Krieg zog, konnte ich es nicht erwarten, mich als guter Soldat zu beweisen. Aber ich durfte anfangs nicht. Stattdessen tat mein Bruder etwas, was ich nicht verstehen konnte. Wie unser Vater ihn ohne seine Meinung anzuhören mit einer ungeliebten Frau vermählte, so vermählte mich mein Bruder ebenfalls über meinen Kopf hinweg. Ausgerechnet mit der Schwester seiner Ehefrau. Ein schönes Quartett! Zum Dank wurde ich Generalmajor und durfte ein Kürassier-Regiment befehligen. 1742 erlebte ich meine Feuertaufe. Unser Sieg war entscheidend für den anschließenden Friedensschluss zu unseren Bedingungen.

Im Zweiten Schlesischen Krieg wurde ich am Kopf verletzt und anschließend kaum noch eingesetzt. Für meinen Bruder Friedrich war inzwischen klar, dass er keine Kinder haben würde. So fiel die Thronfolge an mich und meine männlichen Nachkommen. Als ich zum „Prinz von Preußen“ erhoben wurde, war meine Frau bereits schwanger. Sehr erfolgreich sogar: Unser erstes Kind war ein Junge. Mein Bruder feuerte uns an, noch möglichst viele weitere Kinder zu zeugen. Das fiel mir nicht leicht, denn meine Liebe gehörte damals der Hofdame Sophie von Pannwitz. Fünf lange Jahre bettelte ich den König an, einer Scheidung von meiner Frau zuzustimmen. Erfolglos. Ihn interessierte auch nicht meine Meinung zum Bündnis mit England, das uns eine ganze Schar von Feinden bescherte: Österreich, Frankreich, Sachsen, Schweden, Russland. Die Folge war der Krieg, dessen Ende ich nicht mehr erleben sollte.

Nach der verlorenen Schlacht von Kolin erhielt mein Korps den Auftrag, beim Rückzug Friedrichs aus Böhmen die Lausitz und die Verbindung nach Schlesien zu decken. Obwohl (oder weil?) ich mich permanent mit meinen Offizieren beriet, wollte uns das Manöver nicht recht glücken. Die Truppen waren entkräftet, die Moral am Boden, täglich desertierten Soldaten. Mit Müh und Not kämpften wir uns nach Bautzen durch, wo mich mein Bruder erwartete. Der Zorn konnte nicht größer sein: „Kommandieren Sie einen Harem, wohlan; aber solange ich lebe, vertraue ich Ihnen keine zehn Mann mehr an.“ Die Flüche des Königs wurden immer kräftiger. Dabei war er es ja, der die Schlacht verloren hatte! 

Nur der jüngste Bruder Heinrich hielt noch zu mir. So zog ich mich auf meinen Landsitz Schloss Oranienburg zurück, das unser Großvater reichlich hatte ausstatten lassen. Eine Versöhnung mit mir suchte mein Bruder nicht. Ich erlitt einen Schlaganfall, an dessen Folgen ich 1758 starb. Die Welt hat mich schnell vergessen. Ich habe keinen Grund, auf meinen Sohn, den man wegen seiner Mätressenwirtschaft im Volk den „dicken Lüderjahn“ nannte, sonderlich stolz zu sein.