Wilhelmine von Bayreuth (1709 – 1758)
Die geliebte Schwester
Ich bitte Sie, versäumen Sie beim Besuch des Parks von Sanssouci keinesfalls, mir Ihre Aufwartung zu machen. Sie sind stets willkommen. Vielleicht müssen Sie mich ein wenig suchen. Abseits der Hauptallee, kurz vor dem gewaltigen Neuen Palais, finden Sie den Freundschaftstempel; und dort sitze ich, einen Brief in der Hand, und es ist nicht schwer zu erraten, von wem er stammt. Von meinem kleinen Bruder Fritz, den Sie als den „Großen“ bezeichnen. Wir beide wissen, was es heißt, ein „Königskind“ zu sein: Lieblosigkeit, Strenge und Entbehrungen. Ich vergaß, mich vorzustellen. Mein Name ist Friederike Sophie Wilhelmine; geboren wurde ich am 3. Juli 1709. Just zu dieser Zeit fand das „Dreikönigstreffen“ statt und mein Großvater Friedrich I. in Preußen hatte hohen Besuch: König Friedrich IV. von Dänemark und August der Starke, König von Polen und Kurfürst von Sachsen. Dieses Königstreffen war ein rauschendes Fest, und alle drei wurden meine Taufpaten. Ist das nicht entzückend, wenn man bedenkt, dass sich mein Vater viel lieber einen Knaben gewünscht hätte, denn bei uns Hohenzollern gibt es nur eine männliche Thronfolge.
Meine Kindheit und die meines drei Jahre jüngeren Bruders habe ich in meinen Memoiren geschildert. Dort können Sie nachlesen, wie mein Vater mich, aber viel mehr meinen Bruder, tyrannisierte. Jeder Berliner Tagelöhner hätte sich so gegenüber dem eigenen Kind aufgeführt. Ich aber liebte meinen Bruder und schrieb in meinen Memoiren: „Er war der liebenswürdigste Prinz, den man sehen konnte, hübsch gewachsen, voll Geistesüberlegenheit und mit allen Eigenschaften, die einen vollkommenen Fürsten zieren, versehen.“ Ich selbst hatte unter meiner Erzieherin Leti zu leiden, sie schlug mich und behandelte mich grob. Meinen Eltern aber konnte ich mich nicht anvertrauen, denn auch sie lebten im Dauerzwist. Ein Wunder, dass meine Mutter vierzehn Kinder gebar, von denen zehn das Erwachsenenalter erreichten.
Sie müssen wissen, dass meine Mutter aus dem Hause Hannover kam, das den englischen Thron besetzte. Ihr Vater war der englische König Georg I. Da liegt es nahe, dass meine Mutter eine Verbindung zwischen dem mächtigen England und dem armen Preußen herbeiführen wollte. Und das durch meine Vermählung mit dem englischen Thronfolger. Für meinen Vater war ich aber ein beliebiger Spielball seiner politischen Interessen. Zunächst schwankte er, ob er den Ball in Richtung England oder in Richtung Habsburgisches Kaiserreich spielen sollte, aber die österreichischen Einflussagenten leisteten ganze Arbeit: Ich wurde nicht Königin von England, sondern Markgräfin von Bayreuth. Welch Gegensatz! Aber ich will nicht klagen. Ich liebte meinen Angetrauten – solange er mir treu war.
Mein Bruder Fritz und ich blieben uns immer innig verbunden – während seiner Festungszeit in Küstrin und seiner Jahre in Rheinsberg. Als Fritz König wurde, gerieten wir in Gegensätze, die sogar in eine Sprachlosigkeit mündeten. Aber wir beide fanden einen Trick, unsere Verbindung zu retten: Wir ließen unsere Lieblingshunde miteinander korrespondieren. Und die verrieten uns, was der jeweils andere dachte. Diese Zeit war für mich sowohl traurig, als auch lustig. Irgendwann war alles wieder im Lot und ich konnte endlich nach Berlin reisen, um Fritz zu besuchen. Dort traf ich wichtige Herren, den Philosophen Voltaire zum Beispiel oder den Musiker Quanz. Ich bemühte mich in Bayreuth so gut es nur ging, einen anspruchsvollen Hof zu führen. Ich gründete eine Universität und eine Kunstakademie. Sogar eine Oper hab ich komponiert. Aus Bayreuth holte sich mein Bruder übrigens bedeutende Architekten für die Ausgestaltung seiner Residenz Potsdam.
Einen Krieg gleichzeitig gegen Österreich, Russland und Frankreich zu führen, hielt ich für ein großes Unglück. Ich starb am 18. Oktober 1758, da war ich noch nicht einmal 50 Jahre alt. Mein Bruder Fritz erlitt am gleichen Tag bei Hochkirch mit seinen Truppen eine schmerzhafte Niederlage.