Kategorie: <span>F.d.G. Freund und Feind</span>

Friedrich Wilhelm von Rohdich (1719 – 1796)

Auf einmal floss da blaues Blut

Gestatten, Friedrich Wilhelm von Rohdich, geborener Rohdich ohne „von“. Den Adelstitel verlieh mir der große König höchstpersönlich. Das war von ihm der reine Egoismus. Denn es gab da ein Dilemma, das er anders nicht lösen konnte – oder wollte. Es war Gesetz im friderizianischen Heer, dass nur Adlige ins Offizierscorps aufsteigen konnten. Nun gingen aus den adligen Familien nicht immer die – wie sagt man? –  „hellsten Kerzen auf der Torte“ hervor. Der König legte allerdings Wert auf talentierte und gut ausgebildete Militärs in seiner Armee. Was also tun? Die Lösung war für ihn einfach: Man erhob geeignete Bürgerliche in den Adelsstand. Aus Überzeugung tat er das trotz aufgeklärter Geisteshaltung nicht. Aber was bleib ihm übrig, wenn er Streitkräfte haben wollte, vor denen sich die Welt fürchtete?

Vielleicht kennen Sie schon die Anekdote, wonach Friedrich bei Tisch gesagt haben soll: „Ich weiß nicht, woher es kömmt, dass aus den bürgerlichen Offizieren, wenn ich sie zu Edelleuten mache, nichts Rechtes werden will.“ Als ihm einer seiner Tischgenossen das Beispiel des Obersten Rohdich entgegenhielt, meinte er: „Ei was, der Oberst Rohdich ist ein alter Edelmann, das weiß ich besser.“ Nach Ansicht des Königs waren es nur Abkömmlinge adliger Familien, die ihm die geforderte Loyalität erweisen könnten. Er war da noch starrsinniger als sein Vater, der „Soldatenkönig“. Dessen bürgerliche Offiziere entließ Friedrich II. sofort nach seiner Thronbesteigung.

Aber spätestens nach seinen drei schlesischen Kriegen fiel ihm dieses Verdikt kräftig auf die Füße. Der preußische Adel hatte in den mal gewonnenen, mal verlorenen Schlachten einen gewaltigen Blutzoll zu entrichten. Nur ein Beispiel: Die alteingesessene Familie von Kleist musste 116 ihrer männlichen Mitglieder in die Armee Friedrichs entsenden. Dort gehörte es zur Offiziersehre, in den Schlachten ganz vorne zu kämpfen. Der König selbst bot dafür das Beispiel. 30 von Kleists fielen vor dem Feind. Es gab Adelsfamilien, die ganz und gar ausgelöscht wurden. Wo sollte da der Ersatz herkommen?

Die Kriege boten allerdings auch die Chance für einen raschen militärischen Aufstieg. Ich kam 1719 zu Beginn der Regentschaft des Vaters unseres verehrten Königs in Potsdam zur Welt. Mein Vater gehörte als Fähnrich zu den berühmten „Langen Kerls“. Ich machte in den Kriegen König Friedrichs rasch Karriere: Leutnant im ersten schlesischen Krieg, Premierleutnant im zweiten und Major im Siebenjährigen Krieg. Für meine Tapferkeit während der Schlacht um Prag erhielt ich 1757 den Orden „Pour le Mèrite“ und den Adelstitel dazu. Nach Kriegsende empfing ich als Kompaniechef das Patent als Oberst. Das war ein außerordentlicher Werdegang für einen Bürgerlichen. 

Als ich geadelt war, stand meinem weiteren Aufstieg nichts mehr im Weg. Ich wurde Direktor des vom „Soldatenkönig“ ins Leben gerufenen Großen Waisenhauses zu Potsdam. Hier bemühte ich mich nach Kräften, segensreich für die Zöglinge zu wirken. Auch um das Wohlergehen anderer Potsdamer Erziehungseinrichtungen sorgte ich mich. Ferner wurde ich Stadtkommandant von Potsdam. In dieser Funktion hatte ich täglich um 10 Uhr beim König zu erscheinen, um Meldung zu erstatten und die Tagesparole einzuholen. Am Tag seines Ablebens war ich der letzte Offizier, der ihn lebend gesehen hat. 

Auch der nachfolgende König war mir zugetan. Er beförderte mich zum Generalleutnant und machte mich für kurze Zeit zu seinem Kriegsminister und Mitglied des Geheimen Staatsrates. Dser von mir begründete Legatenfonds wirkt ja wohl immer noch in Ihrer Zeit und hilft in Not geratenen Angehörigen der Bundeswehr.

Dieudonné Thiébault (1733 – 1807)

Über einen genauen Beobachter

Geboren 1733 in den Vogesen, kam ich im Jahr 1765 als Professor für französische Sprache nach Berlin. Meine Aufgabe war, die Schriften Friedrich II. zu korrigieren. Der König legte Wert darauf, dass ich keinesfalls die deutsche Sprache erlerne, um mein sauberes Französisch zu erhalten, das er so schätzte. Er mochte aber auch die gepflegte Konversation zu allen Fragen der Politik, der Philosophie und der Wissenschaften. Fast zwanzig Jahre lang, bis 1784, blieb ich am Hof in Berlin und veröffentlichte 1804 in Paris meine Erinnerungen an diese Zeit. Hier ein paar Kostproben.

Die beim preußischen Hof beglaubigten Gesandten mussten sich normalerweise in Berlin aufhalten. Sie konnten zwar die Stadt verlassen, aber in Potsdam und Charlottenburg durften sie sich nicht zeigen, wenn sich der König dort aufhielt. Es sei denn, sie hatten vorher um Erlaubnis gebeten. Er bemühte sich, diese Orte frei von Spionen zu halten. Die Vertreter fremder Mächte sahen den König also nur zu ganz seltenen Gelegenheiten, ausgenommen zur Karnevalszeit, wenn er für längere Zeit in Berlin weilte. Dann fand jeden Sonntag morgens um zehn Uhr die Audienz statt, zu der sich auch das diplomatische Corps einstellte. Selbst dann erschien der König nicht immer. Man wartete auf ihn bis zwölf Uhr und zog sich dann zurück. Und wenn er kam, blieb er meist nur eine Viertelstunde, um mit diesem oder jenem ein Wort zu wechseln. 

Französischer Botschafter am preußischen Hof war Adrien-Louis de Bonnières, duc de Guînes. Er kam erstmals 1766 nach Preußen als Zuschauer zu den großen Manövern. Der König erlaubte ihm, ihn nach Magdeburg und Pommern zu begleiten. Das Wesen und der Esprit des französischen Edelmanns gefielen dem König so sehr, dass er bei dessen Abschied gestand, er hätte wenige französische Offiziere erlebt, die so viele Talente hätten. Diese Bemerkung bewirkte, dass König Ludwig XV. bei der Wahl eines neuen Gesandten für Berlin zugunsten des Herrn de Guines entschied. 

Die Hauptbeschäftigung des Herrn de Guines in Berlin war das Studium der preußischen Heereseinrichtungen. Er sagte ganz offen, dass er deswegen in Berlin sei. Man sah ihn bei allen Paraden und Truppenübungen. Wenn die Regimenter anrückten, war er schon an Ort und Stelle. Er vorfolgte alle Bewegung mit der größten Aufmerksamkeit. Seine Beharrlichkeit machte schließlich die preußischen Generäle zornig. Die Aufmerksamkeit des unverdrossenen Zuschauers wurde ihnen peinlich und sie versuchten alles Mögliche, um diesem Argusauge zu entgehen. Auch Avancen, die man ihm durch befreundete Damen der Hofgesellschaft machen ließ, blieben fruchtlos. Schließlich ergab man sich in seine Gewohnheit, die er bis zu seinem Scheiden aus Berlin beibehielt.

Der französische Außenminister hatte sich ein sehr gutes Mittel ausgedacht, um die französischen Soldaten abzuhalten, sich von preußischen Werbern zur Desertion verlocken zu lassen. Er ließ in jedes Regiment einige Soldaten einstellen, die die ganze Härte der friderizianischen Disziplin am eigenen Leibe erfahren hatten. Der Botschafter bediente sich der Hilfe einiger verlässlicher Diener. Diese schlossen mit den Soldaten aus ihrer Heimat Freundschaft, gewannen deren Vertrauen und boten ihnen schließlich ihre Beihilfe zur Flucht an. Auf diese Weise entführte Herr de Guines dem König von Preußen in weniger als zehn Monaten eine stattliche Zahl von Soldaten, ohne dass irgendein Mensch eine Ahnung davon hatte. 

Friedrich, den Herrn de Guines als Besucher so überaus freundlich aufgenommen hatte, zeigte ihm als Gesandten eine auffallende Kälte des Benehmens. Bei einer seiner Sonntagsaudienzen drehte er ihm sogar den Rücken zu und tat so, als ob er ihn nicht bemerkte, während er sich mit anderen Gesandten leutselig unterhielt. 

Heinrich Graf Brühl, Premierminister und Kunstsammler (1737 – 1763)

Er gab mir die Ehre, sein Feind zu sein

Kennen Sie Dresden, die Brühlschen Terrassen an der Elbe mit den „Brühlschen Herrlichkeiten“: der Bildergalerie, der Bibliothek, dem Belvedere, dem Palais und der Gartenanlage? Ohne mich gäbe es das nicht! Und wenn Dresden als Kunstmetropole von europäischem Rang gilt, dann ist das vor allem mein Verdienst. Ich war es, der die Sixtinische Madonna und andere Kunstwerke alter Meister an die Elbe holte. 

Dabei entstammte ich noch nicht einmal dem Hochadel. Wenn man es mit den Maßstäben des Adels misst, sogar aus ärmlichen Verhältnissen. Durch Klugheit, Fleiß und unbedingte Verlässlichkeit konnte ich jedoch schnell Karriere am Hof August des Starken machen, der gleichzeitig Kurfürst von Sachsen und König von Polen war. Bereits mit 31 Jahren war ich sein engster Vertrauter, wurde sein Geheimer Rat, Finanzminister und Außenminister. Nach dem Tod August des Starken 1733 machte mich dessen Nachfolger, Friedrich August II., zum Premierminister mit allen Vollmachten. Mit beiden Königen brachte ich Sachsen zu seiner schönsten Blüte, kulturell und politisch. Auch wenn die Finanzlage alles andere als rosig war. Oft fehlte das Geld, um auch nur die Zinsen der Schulden der Staatskasse zu bezahlen. Ich selbst hatte allerdings nie Grund zu klagen. Wenn nach meinem Tod Gerüchte gestreut wurden, ich hätte Geld im großen Stil unterschlagen, dann haben die sich stets als haltlos erwiesen. 

Irgendwann lief in Sachsen nichts mehr ohne mich, auch – oder besser gerade – in der Außenpolitik. Es war meine vornehmste Aufgabe, Sachsen im Konzert der europäischen Mächte stärker hörbar werden zu lassen. Den Aufstieg Preußens beobachtete ich mit größter Sorge, denn sollte sich die Rivalität der Häuser Hohenzollern und Habsburg weiter verstärken, konnte Sachsen nur zwischen die Mühlsteine geraten. So war mein erklärtes Ziel, Preußen wieder zur unbedeutenden „märkischen Streusandbüchse“ zu machen, die es am Ende des Dreißigjährigen Krieges war.
Kein Wunder, wenn ich in Konfrontation zu Preußenkönig Friedrich II. geriet. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Nach dem Raub Schlesiens durch Preußen war Sachsen zu einem Hindernis zwischen dem märkischen Kernland Preußens und den eroberten Gebieten geworden. Man muss nur einmal auf die Landkarte schauen, um das zu verstehen. Das konnte nicht gut gehen. Andererseits war da die Rolle Dresdens als Anziehungspunkt für Schöngeister aus ganz Europa, eine Rolle, die Friedrich II. sich selbst zugedacht hatte. Und das Meißner Porzellan, die Leipziger Messe und das unbeschwerte Leben der Sachsen. Verständlich, wenn mich der Preußenkönig Friedrich II. beneidete, und wer Neid hegt, der hasst auch.

Es machte mir Freude, an den Höfen Europas gegen Preußen zu intrigieren und zu konspirieren. Ich war nicht ganz unbeteiligt daran, dass sich eine europäische Allianz zusammenfand, um dem Preußenkönig seinen dreisten Raub wieder abzujagen. Aber ausgerechnet Friedrich II. gelang es, in meine Kanzlei einen Spion einzuschleusen. So kam er in den Besitz von Geheimdokumenten jener antipreußischen Koalition, zu der auch Sachsen gehörte. Die Folge: 1756 fiel Preußen mit einer fünffachen Übermacht in Sachsen ein, besetzte, zerstörte und plünderte, dass selbst die eigenen Feldherren Gewissensbisse bekamen. Auf seinen ausdrücklichen Befehl hin wurden auch alle meine Besitzungen geplündert. 

Sieben Jahre dauerte dieser Krieg, der nur aufgrund der Erschöpfung aller Beteiligten zu Ende ging. Dabei hatten die Sachsen die größten Opfer zu tragen, denn sie mussten nicht nur ihr Land wieder aufbauen, sondern den Preußen auch noch einen Großteil der Kriegskosten erstatten. Ich überlebte das Ende dieses schändlichen Krieges zum Glück nur um wenige Wochen, denn nun wurde ich verantwortlich gemacht für die erbitterte Feindschaft zwischen Sachsen und Preußen. In der Stadtkirche von Forst liege ich begraben.

Helmuth Burkhard von Maltzahn, Gesandter in Dresden (Lebensdaten unbekannt)

So werden Kriege gemacht

Nun gut, wenn Sie schon danach fragen, will ich Ihnen auch ehrlich antworten. Ja, es hat die Geheimpapiere gegeben, die Seine Majestät Friedrich II. veranlasst haben, präventiv einen militärischen Schlag gegen die österreichisch-französisch-russische Koalition zu unternehmen. Mein Name ist Helmuth Burkhard von Maltzahn, 1753 bis 1755 als preußischer Gesandter am Hof in Stockholm, anschließend bis 1756 in gleicher Funktion am Hof in Dresden. Ich kann einiges berichten über die schicksalhaften Wochen vor Ausbruch des Großen Krieges, der sieben Jahre dauern sollte.

Seit 1753 war Wenzel Anton Graf Kaunitz als Haus-, Hof- und Staatskanzler unter Maria Theresia für die österreichische Außenpolitik verantwortlich. Sieben Jahre lang arbeitete er an einem Bündnis, das Österreich in die Lage versetzen sollte, sich das von Friedrich II. eroberte Schlesien zurückzuholen. Es gelang ihm, die alten Rivalen Frankreich und Russland als Verbündete zu gewinnen. Sachsen gesellte sich insgeheim diesem Bündnis hinzu. Im Frühsommer 1756 erhielt Friedrich Kenntnis von einer französisch-russischen Annäherung und von russischen Truppenbewegungen. Von mir wollte er nun Genaueres wissen. 

Und er erfuhr es: Mein Vertrauensmann in Dresden hieß Friedrich Wilhelm Menzel. Er war Geheimsecretär in der kurfürstlich-königlichen Regierung. Seine untergeordnete Rolle am ansonsten so glanzvollen Hof erfüllte ihn mit Ehrgeiz. Dazu kam ein Hang zur aufwändigen Lebensweise. Ihm diesen Lebensstil zu ermöglichen, hat sich unsere preußische Gesandtschaft in Dresden seit 1752 eifrig bemüht. Wir haben ihn jahrelang kräftig mit Goldtalern gespickt. 1756 besorgte er uns Abschriften der Korrespondenzen mit Österreich und Russland, aus dem die antipreußische Allianz eindeutig hervorging. Unser König hatte, was er suchte: den Anlass, präventiv gegen das feindliche Lager loszuschlagen. Menzel hat später angegeben, für seine Dienste 3000 Taler erhalten zu haben, eine – gemessen am politischen Nutzen – unbedeutende Summe. Menzels Lebensweise hat ihn verraten. Er wurde im Jahr danach in Warschau, wo er sich dienstlich aufhielt, verhaftet und dann auf der Feste Königstein in Gefangenschaft gehalten. Nach 33 Jahren ist er dort gestorben. 

Ende August  1756 rückten bei sengender Hitze unsere Truppen in das formal neutrale Sachsen ein. Das Hauptheer unter Friedrich II. mit 50.000 Mann Infanterie, 16.000 Mann Kavallerie und 222 Kanonen marschierte, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, auf Dresden zu. Ein Trupp verwegener Soldaten erhielt den Auftrag, die Originale jener Briefe zu beschaffen, von denen wir nur Abschriften besaßen. Die Originale waren der letztendliche Beweis dafür, dass Friedrich in Notwehr in Sachsen einmarschiert war. Es war bekannt, dass diese Briefe in der Kabinettskanzlei im Dresdner Schloss verwahrt wurden. 

Während sich der sächsische König August III. (der Sohn Augusts des Starken) feige auf der Festung Königstein verschanzt hatte, residierte Königin Maria Josepha mit ihren Kindern weiterhin in Dresden. Dort wachte sie auch über die königliche Schatulle mit den so wichtigen Papieren. Trotz scharfer Drohungen weigerte sie sich entschieden, die Dokumente auszuhändigen, und stellte sich vor die Tür der Kabinettskanzlei. Schließlich wich sie allerdings der Gewalt. Drei Säcke mit den vom König erwarteten Akten wurden aus dem Kabinett getragen. Friedrich besaß jetzt die Originale zu den für ihn so wichtigen Verträgen. Die Königin aber rief die ausländischen Gesandten zusammen und schilderte mit drastischen Worten das Geschehen. Das war kein Ruhmesblatt für einen wahrhaften Militär.

Hans Joachim von Zieten (1699 – 1786)

Der Husar aus dem Busch

Auf einen Sockel haben sie mich gestellt, ganz unmilitärisch in Denkerpose. Meine Husarenuniform ist allerdings unverkennbar. Der Kalpak erscheint mir allerdings zu glatt. Etwas rauer durfte die Pelzmütze durchaus sein, mit der wir uns – egal auf welcher Seite der Front – schon von Weitem erkannten. Selbst im Kampf auf Leben und Tod respektierten sich die Husaren. Ach so, Hans Joachim von Zieten mein Name. Ich war 1741 bis 1786 Chef des Brandenburgischen Husarenregiments Nr. 3, die „Zieten-Husaren“. In Kriegszeiten hat mich der König gelegentlich als Oberkommandierenden seiner Streitkräfte eingesetzt. Sein Vertrauen in mich war groß.

Dieses Vertrauen musste ich mir buchstäblich erkämpfen. Anfangs sah es so aus, als fände sich für mich kein Platz beim Militär, obwohl sich mir als Sohn eines ziemlich ärmlichen Landedelmanns kaum eine andere Karrieremöglichkeit öffnete. Ich war zu klein, zu schmächtig, vor allem aber zu undiszipliniert und – ich sage es ehrlich – zu versoffen. Zweimal haben sie mich gefeuert, sogar Festungshaft musste ich abbüßen.  Aber dann, es war noch zur Zeit des „Soldatenkönigs“, kam der Alte Dessauer auf die Idee, die Husarentruppe zu vergrößern. Da wurden Leute wie ich gebraucht: verwegen, reaktionsschnell, entscheidungsfreudig. Ausgerechnet ein österreichischer Husarenoffizier sollte mein Lehrmeister sein.

Ich sage Ihnen, Husaren sind etwas ganz Besonderes. Sie gehören zwar zur regulären Armee, aber handeln häufig wie Freischärler. Sie unterbrechen Verbindungslinien, zerstören Depots, verwickeln den Feind überraschend in kleine Scharmützel, verwirren durch Überraschungsmanöver. Dafür haben sie wendige Pferde und leichte Waffen und wissen, dass sich einer auf den anderen immer verlassen kann.  Da war es egal, ob einer von Adel war oder nicht, der preußische Kadavergehorsam kam bei uns nicht an. Daher besitzen Husaren einen stark ausgeprägten Corpsgeist. In meiner Truppe gab es keine Schläge, schon gar kein Gasselaufen. Es gab bei uns auch so gut wie keine Deserteure. Und glauben Sie mir, ich war streng. Aber ich wusste auch, was meine Männer dachten und fühlten. Außerdem gab mir mein Gottvertrauen genug Kraft, um eine so ungestüme Meute, wie es ein Husarentrupp nun einmal war, zusammenzuhalten. 

Doch zurück zu meinem Verhältnis zu Friedrich dem Großen. Als Major zog ich 1740 mit hinaus zur Eroberung Schlesiens. Der Krieg begann im Dezember. Im Mai wurde ich zum Oberstleutnant befördert und im Juli zum Oberst. Damit bekam ich mein eigenes Regiment – die „Zieten-Husaren“. Im Zweiten Schlesischen Krieg war ich erfolgreich an einer größeren Operation beteiligt. In den Siebenjährigen Krieg zog ich als Generalleutnant. Wir überraschten und überrumpelten den Feind. „Zieten aus dem Busch“ wurde bald zum geflügelten Wort. Mit dieser Zeile lässt übrigens Theodor Fontane eine seiner berühmtesten Balladen enden. Und der Anfang lautet: „Joachim Hans von Zieten, Husarengeneral. Dem Feind die Stirne bieten, er tat’s wohl hundertmal.

Ich möchte Sie nicht mit der Aufzählung meiner Schlachten langweilen. Das Schicksal meinte es immer gut mit mir: Meistens gehörten meine Husaren zu den Siegern und mir selbst wurde kein Schaden zugefügt. Ich brachte es sogar zum „General der Kavallerie“ – das heißt, ich wurde Chef aller berittenen Truppen und wurde mit dem Schwarzen Adlerorden dekoriert. Nach dem Krieg blieben der König und ich engste Freunde. Ich starb ein Vierteljahr vor ihm. Besondere Ehre wurde mir zuteil, als ich einen Ehrenplatz auf dem großen Denkmal für Friedrich den Großen Unter den Linden in Berlin fand: Ich bin einer der vier Reiter an den Ecken des Denkmals.

James Kirkland (Lebensdaten unbekannt)

Ein besonders langer Kerl

Riesengarde, Vorzeigetruppe, Spielzeugsoldaten – mit vielen Namen wurden die „Langen Kerls“ des Soldatenkönigs belegt. Doch wer waren diese Männer, die gut einen Kopf größer waren als der Normalbürger? Wir waren meist einfache Bauernsöhne, denen ihre Körpergröße eher als Fluch, denn als Segen erschien. In den Katen unserer Eltern mussten wir uns ständig gebeugt bewegen, kaum, dass wir uns einmal in einem Bett ausstrecken konnten, die Kleidung unserer älteren Geschwister konnten wir nicht auftragen, wir galten als ungelenk und wurden gemieden oder gehänselt. Da war es vielleicht gar nicht so ein großes Unglück, dass da im fernen Potsdam ein Monarch war, der genau für uns ein Faible hatte und viel Geld für uns bezahlte. Aber von dem Preis, der für uns bezahlt wurde, haben wir selbst kaum etwas gesehen. 

Die Werber, die der König in ganz Europa ausgeschickt hatte, steckten sich die Beträge ein. Es war ein verfluchter Menschenhandel. Im Lauf der Jahre bildeten sich feste Preise für einen geworbenen „Langen Kerl“ heraus. Ein gewöhnliches Handgeld für einen fünf Fuß und zehn Zoll (nach Rheinischem Maß 1 Fuß = 31,4cm) großen Mann betrug 700 Taler. Für einen von sechs Fuß wurden 1000 Taler bezahlt. Der teuerste aller „Langen Kerls“ war ich, James Kirkland aus Irland. Friedrich Wilhelm soll für mich 7.161 Reichstaler gezahlt haben.

Wie mein „Transfer“ ablief, kann man aus der Depesche des Preußischen Gesandten in London von Borcke betreffs “Anwerbung des James Kirkland für das Leibregiment in Potsdam“ entnehmen. Die Depesche vom 21. März 1734 beginnt: „Ich lebe der alleruntertänigsten Zuversicht, dass der überschickte Kerl, Namens James Kirkland, ein Irländer von Geburt, und seines Alters 20 Jahr, glücklich überkommen, und E.K.M. (Eure Königliche Majestät) allergnädigste Approbation finden wird.“ Im Anhang des Schreibens befindet sich die „Specification“ der aufgewandten Kosten, deren Rückzahlung der Gesandte erwartete: An zwei ausgeschickte Kundschafter 18 Pfd. 18 Schill.; Reise aus Irland nach Chester 30 Pfd.; Reise  von Chester bis nach London 25 Pfd., 12 Schill.; dem Kerl, der ihn gebracht hat, 10 Pfd. ,10  Schill.; einem Anverwandten, der ihn überreden half mit 18 Pfd, 18 Schill. ihm selber bei der Ankunft 1 Pfd., 1 Schill.; für drei Jahre versprochenen Lohn 60 Pfund….“ Die Liste mit den Ausgaben ging noch lange so weiter. Dafür bekam der König mich, einen Riesen von 2,17 Metern Größe, der ihn selbst um mehr als einen halben Meter überragte.

Der König liebte seine Riesengarde so, dass er sie stets bei sich haben wollte. Also ließ er die Grenadiere malen und hängte ihre Bilder im Potsdamer Schloss oder im Jagdschloss von Königs Wusterhausen auf. Manchmal griff er selbst zu Pinsel und Palette, um einen seiner Lieblinge zu porträtieren. Aber auch nach ihrem Tode mochte er nicht von ihnen lassen. Für das in seinem ersten Regierungsjahr gegründete „Theatrum anatomicum“ ordnete er an, dass alle »Monstra und Merkwürdigkeiten« Verstorbener zu demonstrieren seien. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der König auch Leichen der »Langen Kerls« für die Sektion übergab. Erhalten geblieben sind jedenfalls zwei Skelette – eins in Berlin und eins in Potsdam, – von denen das Berliner 2,12 Meter groß ist und eine Reihe von Krankheiten verrät.

Ich gehörte zeitlebens zu den zwölf „unrangierten“ Riesen. Das waren die größten der großen, die vor allem für Repräsentationszwecke zur Verfügung zu stehen hatten und daher nicht unmittelbar der kämpfenden Truppe zugeordnet waren. Nach Auflösung der „Langen Kerls“ mit dem
Tod des „Soldatenkönigs“ wurde ich als Heiducke in den Hofstaat Friedrichs II. übernommen. Ich starb als wohlhabender Kaufmann 1779 in Berlin.