Helmuth Burkhard von Maltzahn, Gesandter in Dresden (Lebensdaten unbekannt)
So werden Kriege gemacht
Nun gut, wenn Sie schon danach fragen, will ich Ihnen auch ehrlich antworten. Ja, es hat die Geheimpapiere gegeben, die Seine Majestät Friedrich II. veranlasst haben, präventiv einen militärischen Schlag gegen die österreichisch-französisch-russische Koalition zu unternehmen. Mein Name ist Helmuth Burkhard von Maltzahn, 1753 bis 1755 als preußischer Gesandter am Hof in Stockholm, anschließend bis 1756 in gleicher Funktion am Hof in Dresden. Ich kann einiges berichten über die schicksalhaften Wochen vor Ausbruch des Großen Krieges, der sieben Jahre dauern sollte.
Seit 1753 war Wenzel Anton Graf Kaunitz als Haus-, Hof- und Staatskanzler unter Maria Theresia für die österreichische Außenpolitik verantwortlich. Sieben Jahre lang arbeitete er an einem Bündnis, das Österreich in die Lage versetzen sollte, sich das von Friedrich II. eroberte Schlesien zurückzuholen. Es gelang ihm, die alten Rivalen Frankreich und Russland als Verbündete zu gewinnen. Sachsen gesellte sich insgeheim diesem Bündnis hinzu. Im Frühsommer 1756 erhielt Friedrich Kenntnis von einer französisch-russischen Annäherung und von russischen Truppenbewegungen. Von mir wollte er nun Genaueres wissen.
Und er erfuhr es: Mein Vertrauensmann in Dresden hieß Friedrich Wilhelm Menzel. Er war Geheimsecretär in der kurfürstlich-königlichen Regierung. Seine untergeordnete Rolle am ansonsten so glanzvollen Hof erfüllte ihn mit Ehrgeiz. Dazu kam ein Hang zur aufwändigen Lebensweise. Ihm diesen Lebensstil zu ermöglichen, hat sich unsere preußische Gesandtschaft in Dresden seit 1752 eifrig bemüht. Wir haben ihn jahrelang kräftig mit Goldtalern gespickt. 1756 besorgte er uns Abschriften der Korrespondenzen mit Österreich und Russland, aus dem die antipreußische Allianz eindeutig hervorging. Unser König hatte, was er suchte: den Anlass, präventiv gegen das feindliche Lager loszuschlagen. Menzel hat später angegeben, für seine Dienste 3000 Taler erhalten zu haben, eine – gemessen am politischen Nutzen – unbedeutende Summe. Menzels Lebensweise hat ihn verraten. Er wurde im Jahr danach in Warschau, wo er sich dienstlich aufhielt, verhaftet und dann auf der Feste Königstein in Gefangenschaft gehalten. Nach 33 Jahren ist er dort gestorben.
Ende August 1756 rückten bei sengender Hitze unsere Truppen in das formal neutrale Sachsen ein. Das Hauptheer unter Friedrich II. mit 50.000 Mann Infanterie, 16.000 Mann Kavallerie und 222 Kanonen marschierte, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, auf Dresden zu. Ein Trupp verwegener Soldaten erhielt den Auftrag, die Originale jener Briefe zu beschaffen, von denen wir nur Abschriften besaßen. Die Originale waren der letztendliche Beweis dafür, dass Friedrich in Notwehr in Sachsen einmarschiert war. Es war bekannt, dass diese Briefe in der Kabinettskanzlei im Dresdner Schloss verwahrt wurden.
Während sich der sächsische König August III. (der Sohn Augusts des Starken) feige auf der Festung Königstein verschanzt hatte, residierte Königin Maria Josepha mit ihren Kindern weiterhin in Dresden. Dort wachte sie auch über die königliche Schatulle mit den so wichtigen Papieren. Trotz scharfer Drohungen weigerte sie sich entschieden, die Dokumente auszuhändigen, und stellte sich vor die Tür der Kabinettskanzlei. Schließlich wich sie allerdings der Gewalt. Drei Säcke mit den vom König erwarteten Akten wurden aus dem Kabinett getragen. Friedrich besaß jetzt die Originale zu den für ihn so wichtigen Verträgen. Die Königin aber rief die ausländischen Gesandten zusammen und schilderte mit drastischen Worten das Geschehen. Das war kein Ruhmesblatt für einen wahrhaften Militär.