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Willibald Alexis (1798 – 1871)
Einer, von dem man lernen konnte
Sie verschlingen gern Krimis? Sie sind interessiert an der Geschichte der Mark Brandenburg? Dann gehören Sie bestimmt zu den Lesern meiner Bücher. Davon gibt es jede Menge, sodass ich sogar gut vom Schreiben leben konnte. Eine Selbstverständlichkeit war das nicht. Aber zunächst sollte ich mich vorstellen. Mein Name ist Georg Häring. Ich entstamme einer hugenottischen Familie aus der Bretagne namens Harenc. Für deutsche Ohren ist das Wort Häring allerdings viel geläufiger, weshalb meine Vorfahren dem Fisch den Vorzug gaben.
Hier wären wir bereits bei Theodor Fontane, der ja bekanntlich auch hugenottische Vorfahren hatte. Er hat allerdings seinen Zunamen stets auf französische Weise ausgesprochen: „Fong-tan“. Ich aber ging noch einen Schritt weiter und nannte mich in späteren Jahren Willibald Alexis. Unter diesem Namen kannte mich auch Fontane, meinen „Neuen Pitaval“, jene Sammlung von wahren Kriminalfällen, und auch meine historischen, patriotischen Romane wie der „Falsche Woldemar“ oder „Die Hosen des Ritters von Bredow“. In meinem frühen Roman „Cabanis“ aus dem Jahr 1832 stelle ich die fritzisch-preußische Gesinnung der Toleranz, des Aufschwungs und der Bildung dem reaktionären Geist von 1830 gegenüber. Das Kasernenhof-Preußen mochte ich nicht.
Ja, wie soll ich’s sagen, ohne überheblich zu erscheinen: Ich war Fontanes Vorbild. Meine detailgetreuen Geschichtsschilderungen haben auf ihn allergrößten Eindruck gemacht. Und das schon in frühester Jugend. Als sein Vater die „Adler“-Apotheke in Swinemünde betrieb, sah er mich bei einem Besuch in Heringsdorf, wo ich damals die Sommermonate verbrachte. In seinen „Kindheitserinnerungen“ schrieb er viel später über diese Begegnung, ich sei der „erste Dichter, den ich sah“, gewesen. Als ich längst schon nicht mehr unter den Lebenden weilte, zeigten sich die vielen Gemeinsamkeiten, die uns verbanden: Wie ich wurde auch er zum Bewunderer alles Englischen, schrieb Balladen, wurde Reiseschriftsteller und vertiefte sich in die Geschichte der Mark Brandenburg und Preußens.
Genau wie ich. 1872, ein Jahr nach meinem Todestag, würdigte mich Fontane in einem ausführlichen literarischen Nachruf. Er bezeichnete mich darin als »ganz große Nummer« und als sein geistesverwandtes Vorbild. Mit seinem leichten, eleganten und oft ironischen Erzählton hat er mich aber klar überflügelt. Die von ihm geschilderten Landschaften waren nie abstrakt und bedeutungsleer, sondern von Menschenhand kultivierte, mit Geschichtlichem und Geschichten getränkte Kulisse von geschichtlichen Ereignissen. Er gab der Historie eine Stimme. Auch in der Schilderung der Berliner Gesellschaft fand Fontane bei mir Nachahmenswertes. Denken Sie an „Frau Jenny Treibel“. Aber ganz zu Recht ist er der bedeutendere Literat.
Richtig deftig ging es in den „Hosen des Ritters von Bredow“ zu. Hier eine kurze Leseprobe: „Eine Herbstwäsche war im Schloss Hohen-Ziatz eine Verrichtung. Eine große Arbeit war es, wo die Knochen sich rühren mussten, aber ein Fest auch. Die Hausfrau meinte, alle tüchtige Arbeit sei immer ein Fest, und wir meinen’s auch. Wie hatte sie das alte Haus aus- und umgekehrt; auf Hühnerleitern war sie selbst gestiegen, denn darin traute sie keinem andern Aug, in alle Kammern und Winkel, dass jedes Wollen- und Linnenstück, bis zum geringsten hinab, ein Sonntagsgesicht anlegen sollte.“ Einen lustigen Film haben sie später sogar aus der Geschichte gemacht.