Adelbert von Chamisso (1781 – 1838)
Aus der Abgeschiedenheit des Oderbruchs auf Weltreise
Als Theodor Fontane geboren wurde, hatte ich das Abenteuer meines Lebens bereits hinter mir: eine Weltumsegelung. Was Fontane in seiner märkischen Umgebung suchte und fand, erlebte ich rund um den Erdball. Mit Fontane fühle ich mich verbunden, weil auch er auf einen französischen Stammbaum verweisen konnte. Allerding musste er weit in seiner Ahnenreihe zurückgehen, um auf seine Vorfahren in der Gascogne verweisen zu können. Ich wurde als viertes von sieben Kindern des Grafen Louis Marie de Chamisso auf Schloss Boncourt in der Champagne geboren. Die Französische Revolution zwang meine Eltern ins Exil. Nach langer Odyssee kamen wir 1796 in Berlin an. Da war ich 15 Jahre alt und durfte als Page bei der Königin Friederike Luise dienen. Nebenbei erlernte ich die deutsche Sprache, die ich bald so gut beherrschte, dass ich in ihr meine literarischen Werke veröffentlichen konnte. Zunächst aber galt mein Interesse den Naturwissenschaften. Wie Alexander von Humboldt wollte ich werden.
Als Botaniker stellte mich Theodor Fontane im Band „Das Oderland“ seiner „Wanderungen“ vor. Als Gast des Herren von Itzenplitz legte ich in Cunersdorf, am Rand des Oderbruchs, eine Pflanzensammlung an, um einerseits die Flora des Oderbruchs zu dokumentieren, andererseits dem Treibhaus des Schlosses eine wissenschaftliche Grundlage zu bieten. Fontane: „Chamisso verweilte einen Sommer lang in dieser ländlichen Zurückgezogenheit und unterzog sich seiner Aufgabe mit gewissenhaftem Fleiß. …. Die Mußestunden gehörten aber der Dichtkunst.“ Am Ende dieser Wochen in Cunersdorf hatte ich das romantische Kunstmärchen „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ aufgeschrieben. Der Held der Erzählung verkauft seinen Schatten an den Teufel und verbringt daraufhin sein Leben auf Reisen um die Welt als Naturforscher. Fontane meinte, dies sei meine „bedeutendste und originellste“ Arbeit gewesen.
Ich selbst bin da anderer Meinung. Meine „Reise und Welt“ liegt mir selbst näher. Gleich dem „Schlemihl, nahm ich in den Jahren 1815 bis 1818 als Botaniker an einer Expedition in den Pazifik und die Arktis teil. Wir segelten nach Südamerika, und zu den polynesischen Inseln entlang der amerikanischen Pazifikküste bis nach Alaska.
Unter der Führung des russischen Kapitäns Otto von Kotzebue erstellte ich Karten, nahm die Flora fremder Länder auf und schilderte die Lebensgewohnheiten der Eingeborenen. Dabei stellte ich fest: „Die Insulaner der Südsee, weit voneinander geschieden und zerstreut… reden eine Sprache; in Amerika, wie hier in Neu-Kalifornien, sprechen oft beieinander lebende Völkerschaften eines Menschenstammes ganz verschiedene Zungen.“ Die Sprachen, speziell die auf den Hawaii-Inseln, haben mich unterwegs besonders interessiert. Nach meiner Rückkehr wurde ich zum Ehrendoktor der Berliner Universität ernannt und auf Vorschlag Alexander von Humboldts 1835 zum ordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften gewählt.
Es erfüllt mich mit Befriedigung, dass ich noch lange nicht vergessen bin. Mehr als 150 Pflanzen- und einige Tierarten wurden nach mir benannt. Sogar ein Asteroid trägt meinen Namen durch das Weltall. Besonders freut es mich, dass ein nach mir benannter Literaturpreis an Autoren nichtdeutscher Muttersprache benannt ist. In Kunersdorf am Oderbruch, wo die legendäre „Frau von Friedland“ wirkte und ich meinen Schlemihl schrieb, gibt es jetzt einen Musenhof. Dort hat eine rührige Chamisso-Gesellschaft ein kleines Museum für mich eingerichtet.