Sir Walter Scott (1771 -1832)
Der Erfinder des historischen Romans
Ich könnte wetten, dass Sie noch nie ein Buch von mir gelesen haben. Da sehen Sie, wie schnell literarischer Ruhm verblasst. Denn als ich noch lebte, war ich höchstwahrscheinlich der meistgelesene Schriftsteller der Welt. Jawohl: weit über meine schottische Heimat hinaus und in viele Sprachen übersetzt. Da wären wir bei Theodor Fontane, der auch ein begeisterter Leser meiner Werke war. Zunächst verschlang er meine Gedichte und Balladen, und als ich zum Verfassen von Romanen übergegangen war, auch die. Wussten Sie, dass das von Franz Schuber vertonte „Ave Maria“ auf ein Gedicht von mir zurückgeht? Aber mit der vollendeten Lyrik eines Lord Byron konnte und wollte ich es doch nicht aufnehmen.
Was die Romane betrifft, sollte Ihnen zumindest „Ivenhoe“ geläufig sein. Die legendäre Figur aus dem England des 12. Jahrhunderts mit den Kämpfen zwischen Angelsachsen und Normannen bescherte mir einen grandiosen Erfolg. Nach nur zwei Wochen war die erste Auflage von 10.000 Exemplaren verkauft. Er war das Vorbild für drei Opern, mehrere Filme. Ich habe mir immer neue Handlungsstränge und Figuren einfallen lassen, um das Interesse an dem Stoff wachzuhalten. Das gelang sogar, ohne dass ich meinen Namen preisgab.
Theodor Fontane liebte meine Werke, so wie er alles Englische liebte. Die Verehrung mir gegenüber wurde nur übertroffen durch seine Shakespeare-Verehrung. Für ihn war ich der „Shakespeare der Erzählung“. So wie ich wollte er zu Werke gehen. Nach der Lektüre eines meiner Bücher meinte er: „Als ich das Buch zuklappte, atmete ich auf und sagte mir aus tiefster Seelenüberzeugung: ‚So gut machst du’s auch.‘“ Er hatte verstanden, dass ich mit dem historischen Roman ein neues literarisches Genre kreiert hatte. Für den Romancier Fontane war ich mit meinen Erzählungen geschichtlicher Ereignisse stets der gültige Maßstab. Selbst da, wo er sich von mir abgrenzte. Seinen ersten Roman „Vor dem Sturm“ kündigte er seinem Verleger als eine Arbeit an, die er nur nach eigener Individualität machen wolle. Selbst „die Anlehnung an Scott betrifft nur ganz Allgemeines“. Genau wie ich gab sich Fontane nicht mit Königen und Heerführern ab, sondern fand seine Figuren im realen Leben, wo sie die Leser als ihresgleichen wiederfinden können. So schreibt man erfolgreich. Seine tiefe Verehrung für mich hat er im Jahr 1872 in einem Aufsatz über mich zu Papier gebracht.
Ich behaupte, dass die „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ ein gewaltiges Quellenstudium darstellten, das Werke für drei Dichtergenerationen möglich gemacht hätte. Aus meiner Sicht hat es Fontane bei der Beschreibung von Begebenheit und Landschaft, von Ereignis und Charakter zu höchster Meisterschaft gebracht. Nun sitzt er da in Neuruppin auf der Bank, und alle, die da vorübergehen, sehen in ihm den Wanderer, der mal eine kleine Pause einlegt. Wenn Sie einmal nach Edinburgh kommen sollten, dann besuchen Sie mich an den East Princes Street Gardens. Dort sitze ich auf einer steinernen Bank mit einem Buch in der Hand, meiner Hündin Maida neben mir und einem über 60 Meter hohen gotischen Turm über mir. Das ist Fontane zum Glück erspart geblieben.