Kategorie: <span>F.d.G. Unentbehrliche</span>

August Friedrich Eichel (1698 – 1768)

Mir vertraute Friedrich voll und ganz

Ich bin August Friedrich Eichel, Geheimer Kabinettsrat im Dienst der preußischen Majestäten Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. Zeitlebens war ich bürgerlichen Standes. Selbst wenn Friedrich der Große hin und wieder geruhte, meinesgleichen in den Adelsstand zu erheben, tat er das nie bei den ihm am nächsten Stehenden. Und wer stand ihm näher? Speziell nach dem Ableben des guten Fredersdorf. „Der gute alte Eichel“ war ich für ihn.  Und er war für mich der Sinn meines Lebens. 

Es fiel mir nicht schwer, Geheimnisse zu wahren und Seiner Majestät jederzeit das Gefühl zu geben, dass Geheimnisse bei mir sicherer sind als bei Ihm selbst. Ich kannte keine andere Aufgabe als die, dem König zu dienen. Nichts in meinen Äußerungen, meinem Auftreten, meinen Ambitionen konnte den Eindruck erwecken, ich wollte mit dem König oder einem dem König Nahestehenden auf eine Stufe treten. Für König Friedrich II. war das Geheimnis ein wichtiges Machtmittel. Und ich war das Gefäß, dem Seine Majestät alle Geheimnisse anvertrauen konnte. Er sagte: „Ich verschließe mein Geheimnis in mir selbst, ich habe nur einen Sekretär, von dessen Treue ich überzeugt bin; sofern man also nicht mich selbst besticht, ist es unmöglich, meine Absichten zu erraten.“

Für den König war klar, dass man Geheimnisse tief in der Brust zu bewahren hat. Er wusste nur zu gut, dass bei den meisten Menschen die Gesichtszüge, der Glanz der Augen und selbstverständlich die Zunge es waren, die Geheimnisse offenbarten. „Müsste ich glauben, dass mein Hemd oder meine Haut etwas von meinen Absichten wüssten, so würde ich sie mir herunterreißen.“ So radikal dachte der König. Je mehr ich in die geheimsten Pläne des Königs eingeweiht wurde, desto mehr musste ich mein Herz verschließen. Es tut zuweilen weh, viel zu wissen, aber keine Meinung äußern zu dürfen. Zumindest keine, die der König nicht hören will. 

16 Geheime Kabinettsräte dienten dem König im Laufe der 46 Jahre seiner Thronherrschaft. Keiner von ihnen war dem König allerdings so nahe wie ich. 

Wenn Sie glauben, das Leben eines Geheimen Kabinettsrates wäre ein leichtes und luxuriöses gewesen, dann hat man Ihnen noch nichts erzählt von der Arbeitswut des Königs. Und wenn er arbeitete, hatten wir zur Stelle zu sein. Egal, ob zur Tages- oder Nachtzeit, egal an welchem Wochentag. Wer auch immer beim König vorstellig werden wollte, hatte sich zunächst an die Geheimen Kabinettsräte zu wenden. Wir bereiteten das alles auf, empfahlen dem König die Antwort und entwarfen sie zugleich. Wenn der König morgens erwachte, das war spätestens um fünf Uhr, lag unsere Post auf seinem Schreibtisch. 

Mein Arbeitstag begann daher um vier Uhr. Bis acht Uhr hatte er alles durchgesehen. Die Briefe mit einer zustimmenden Antwort erhielten einen Kniff nach innen, die mit einer ablehnenden einen Kniff nach außen. Und jene Angelegenheiten, zu denen er sich noch ein Bild machen wollte, erhielten zwei Kniffe. Wir Kabinettsräte hatten nun die Antwortschreiben zu verfertigen. In aller Regel hatte der Absender die Antwort bis fünf Uhr am Nachmittag im Haus. 

Ich selbst kann mir schmeicheln, dem König bei seinen allergeheimsten Angelegenheiten beigestanden zu haben. Namentlich in diplomatischen. Die ausländischen Gesandten in Berlin kannten zwar meine Rolle bei Hofe, keiner von ihnen hat mich aber je zu Gesicht bekommen. Ob ich verheiratet war? Was glauben Sie, hätte unser König wohl getan, wenn er mich mit einer Frau hätte teilen müssen? Nicht auszudenken! So bin und bleibe ich ein Mann ohne Gesicht. 

Henri Alexandre de Catt (1725 – 1795)

Ein Vorleser wird gefunden

Mein Name ist Henri Alexandre de Catt. Ich wurde 1725 als Sohn eines Süßwarenhändlers in Morges am Genfer See geboren. Wie ich den König kennenlernte, soll hier erzählt werden. Ich möchte aber gleich vorausschicken, dass, wenn mich der König in einem Gedicht seinen „Verlobten“ nannte, so war das rein geistiger Natur gemeint. Ich war bis 1780 sein Vorleser und besaß das Privileg, fast jeden Tag mit dem König zusammenzutreffen und dabei seine geheimsten Gedanken zu erfahren. Dass ich mir dabei Notizen machte, geschah im Einverständnis des Königs. Auch wenn sich unser Verhältnis in den letzten Lebensjahren des Königs abkühlte, blieb doch der gegenseitige Respekt in jeder Beziehung erhalten. 

Im Juni 1755 hatte ich einen Besuch auf einem Landgut zwischen Amsterdam und Utrecht gemacht. Ich bestieg auf der Rückreise die Barke, die zwischen beiden Städten verkehrte. Die Kajüte war für einen Passagier reserviert. Ich musste also im Vorderteil des Schiffes bleiben. Nach einiger Zeit kam aus jener Kajüte ein Mann heraus. Er trug eine schwarze Perücke, Gesicht und Anzug waren voll von spanischem Schnupftabak. Er betrachtete mich aufmerksam und fragte mich: „Mein Herr, wer sind sie?“ Der ungenierte Ton seiner Frage gefiel mir nicht, besonders, da der Fragesteller seinem Äußeren nach kein hochstehender Mann war. Ich verweigerte ihm daher jede Auskunft. Er erwiderte im ersten Augenblick nicht, sagte aber dann in höflicherem Tone: „Mein Herr, kommen Sie in meine Kajüte. Sie werden dort weniger unter dem Rauch leiden.“

Die Höflichkeit, mit welcher er diese Worte aussprach, stimmte mich milder. Außerdem hatte sein ganzes Äußere großen Eindruck auf mich gemacht. Ich trat also in die Kajüte. Wir fingen eine Unterhaltung an. Der Reisende sprach über die Regierung der Niederlande. Er beurteilte sie scharf, offenbar, um meine Meinung zu hören. „Welche Regierungsform halten Sie für die beste?“ fragte er. Ich antwortete: „Die Monarchie, wenn der König gerecht und aufgeklärt ist.“ „Ganz richtig, aber wo gibt es solche Könige?“ Und nun fing er an, so gegen die europäischen Fürsten zu deklamieren, dass kein Mensch auf die Idee gekommen wäre, dass er selbst zu ihnen gehörte. Zuletzt sagte er, er bemitleide sie, besonders deswegen, weil sie den Genuss der Freundschaft nicht kennen. Ich entgegnete, dass ich nicht die Ehre habe, Könige zu kennen, aber nach all dem, was ich gelernt habe, glaube ich, dass er recht habe. „Gewiss habe ich recht. Ich sage Ihnen, ich kenne die Herren, von denen ich spreche.“

„Sind Sie in Deutschland gewesen,“ fragte sodann der Fremde. „Nein, ich möchte gern eine Reise nach Deutschland machen. Besonders gern würde ich Preußen und den König von Preußen sehen, von dem so viel gesprochen wird.“ Darauf sprach ich von den Taten des Königs. Aber der Fremde ließ mich nicht ausreden, sondern sagte: „Ach was! Lassen wir die Könige, wo sie sind. Was gehen uns die an? Wir wollen lieber von etwas Angenehmerem sprechen und uns dadurch die Langeweile der Reise vertreiben. Wie können Sie es in diesem wässrigen Land aushalten? Wollen Sie noch lange in Holland bleiben?“ So ging es weiter fort. Ich berichtete ihm über meine Studien und meine Lehrer. Schließlich sagte der Fremde: „Was ich am wenigsten studiert habe, ist die Politik, sie besteht aus Lug und Trug und passt nicht für meinen Charakter…“

Am nächsten Morgen erfuhr ich, dass der Fremde, der sich für den Kapellmeister des Königs von Polen ausgab, der König von Preußen war. Er hatte in dem zu Preußen gehörenden Herzogtum Kleve Truppen inspiziert und die Nähe zu Holland inkognito zu einem Ausflug in den Nachbarstaat genutzt. Nach sechs Wochen erhielt ich einen Brief von ihm mit dem Anerbieten, als Vorleser in seine Dienste zu treten. Krankheit verzögerte die Sache, und ich trat erst im Jahre 1758 die Reise nach Breslau an. Der König hatte dort sein Hauptquartier in dem erneuten Krieg um Schlesien, der bereits ins dritte Jahr ging.

Johann Valentin Pfannstiel (1719 – 1781)

Die Fontänen sollen sprudeln

Darf ich mich vorstellen? Johann Valentin Pfannstiel. Ich gelangte an den König durch dessen Geheimen Kämmerer, den Herrn Fredersdorf. Das war 1754, nachdem am unseligen Karfreitag jenes Jahres die Fontänen im Park von Sanssouci sprudeln sollten, aber nach wenigen Minuten ihren Dienst quittierten. Denn das Bassin, das noch der große Knobelsdorff auf dem Hainberg anlegen ließ, war leergelaufen. Es fehlte an flüssigem Nachschub. 

Und wer hatte sich nicht am ununterbrochenen Wasserlauf versucht! Zunächst 1752 die Holländer, die eine Kunstmühle errichteten, wie sie an der Nordsee zu Tausenden in der Landschaft stehen und Wasser schöpfen. Als sich ihr Versagen zeigte, ließ der König ein Eselspaar an die Mühle malen und titelte das Bild: Hollandse Fontaenen-Maaker. Nach den Holländern kam 1753 der Brunnenmacher Osten aus Hamburg und ließ für 12.000 Taler eiserne und bleierne Rohre legen. Aber er hatte keine Idee, wie das Wasser den Berg hinaufströmen sollte. Also musste er gehen. Im Oktober des gleichen Jahres kam ein Herr George, der in Kassel durchaus taugliche Feuerspritzen konstruiert hatte. Wasser auf den Berg zu bringen, überforderte allerdings auch seine Kräfte. 

Das Jahr 1754 begann damit, dass man eine zweite Kunstmühle errichtete. Dann kam es zu jenem Karfreitag, an dem die Fontänen tatsächlich für eine dreiviertel Stunde sprudelten. Das hatte aber nichts mit den Kunstmühlen zu tun. Schuld war der schneereiche Winter und das regenreiche Frühjahr, die das Bassin gut gefüllt hatten. George wurde jedenfalls in Schimpf und Schande entlassen. Wenig später traf besagter Michael Gabriel Fredersdorf auf mich. Als ich von der Not des Königs hinsichtlich der Versorgung der Parkfontänen mit Wasser hörte, bot ich mich als Wasserkunstdirektor in den königlichen Gärten an. Geschwind hatte ich Pläne erstellt, die ich Fredersdorf überreichte. Mit meinem Einverständnis zeigte er die Pläne dem Bauinspektor Manger, allerdings erst, nachdem sie der König selbst genehmigt hatte. So konnte Manger denken was er wollte… Der Plan meines Projektes war bestechend einfach. Mir genügte eine Kunstmühle, um das Wasser nach oben zu treiben. Allerdings musste man dem Wasser den Aufstieg erleichtern. Wie? Ganz einfach: Indem man es in einem Gefälle über die Hälfte des Weges nach unten schießen lässt und den so entstehenden Druck nutzt, um es wieder nach oben zu stoßen. Natürlich gab es Ignoranten, die meinten, gegen meine Idee mit mathematischen Formeln angehen zu müssen. In aller Öffentlichkeit habe ich sie zur Rede gestellt. 

So gewann ich das Vertrauen des Königs, der sogar einwilligte, dass er in Sachen Fontänen keinen anderen zurate zog und dass niemand mein Projekt tadeln dürfe. Ich erhielt das Recht, ganz nach meinem Gutdünken Werkmeister und Gehilfen anzustellen und zu entlassen. Fredersdorf versprach, monatlich die notwendige Summe Geld zur Verfügung zu stellen, und ich konnte im November 1754 mit meinen Helfern das Werk beginnen. Zunächst ließ ich die alten Röhren durch neue ersetzen. Dort, wo sie aus der Erde herausragten, wurden sie geschliffen und poliert, damit sie in der Sonne glänzen und ein gutes Zeugnis über meine Arbeit ablegen. Die Kunstmühle selbst versah ich mit einem Vorbau, der von zwei toskanischen Säulen getragen wurde. Bis zum Sommer 1756 gingen meine Arbeiten trefflich voran. Als 12.000 Taler verbaut waren, hieß es plötzlich, der vom König für das Projekt vorgesehene Etat sei erschöpft. Und er zog in den Krieg. Was blieb mir anderes übrig, als die verbauten Materialien, so gut es nur ging, zu verkaufen. Aber das Jahr 1759 überlebte ich nicht. 

Übrigens: Die Fontänen ohne Wasser blieben für Friedrich den Großen bis zu seinem Tod eine offene Wunde. Er hatte viel Geld verpulvert und war auf Scharlatane hereingefallen. Erst 1842 gelang es mit Hilfe einer Dampfmaschine, so viel Wasser in den Park von Sanssouci zu pumpten, dass die große Fontäne bis auf 38 Meter aufsteigt. 

Madame Nothnagel (Lebensdaten unbekannt)

Kann man wirklich Gold machen?

Man kennt mich als „Madame Nothnagel“. Das soll auch hier genügen. Der Hexensabbath war nie mein Ding. Warum sollen sich Frauen nur mit Sprüchen, Gebräu und Tinktur begnügen? Man soll den hohen Herren geben, wessen sie bedürfen. Und wenn sie Gold wollen, dann soll man ihnen Gold geben. 

Ich muss Ihnen zunächst über Herrn Fredersdorf erzählen, der in der Berliner Friedrichstraße 210 (benannt nach dem Großvater unseres derzeitigen Monarchen) ein Laboratorium mit mehreren Alchimisten unterhielt. Er wurde nicht müde zu betonen, dass er die Experimente nur zum Nutzen seines Königs betreibe. Immerhin war er „Geheimkämmerer“ Friedrichs II. und somit der Verwalter der königlichen Schatulle. Da wäre es ja wohl ein gutes Werk, wenn mehr Gold in die Schatulle hereinkäme als herausging. Immer wieder hat der Herr Fredersdorf versucht, seinen König in die Goldmacherei mit hineinzuziehen. Und ich habe ihm gut zugeredet. Denn wie bei allen großen Unternehmungen muss man erst Geld hineinstecken, um es dann – leidlich vermehrt – wieder herauszuziehen. Das habe ich ihm immer wieder erklärt. Der gute Fredersdorf hatte es aber nicht leicht mit einem König, für den Goldmacher das Gleiche waren wie Kurpfuscher. Soviel der gute Fredersdorf auch insistierte, der König blieb der „ungläubige Thomas“.

Irgendwann im Spätsommer 1753 gab Friedrich dem Drängen Fredersdorfs nach und stellte mich dem König vor. Über diese Begegnung möchte ich mich hier nicht verbreiten. Die Leute sollen über mich sprechen wie sie wollen, aber eine Plaudertasche bin ich nicht. In Männerkleidung bin ich gekommen und wurde in ein Wachzimmer geführt. Für den König schien es nicht ungewöhnlich gewesen zu sein, für geheime Treffen auch die weniger prächtigen Räume seines Schlosses aufzusuchen. Mir gegenüber hat er sich höflich und sehr interessiert gezeigt. Über meine Methode, Gold herzustellen, gab ich ihm allerdings keine präzise Auskunft. Er akzeptierte, dass das mein Geheimnis ist. 

Fredersdorf berichtete mir anderntags, dass der König seine Zurückhaltung noch nicht ganz aufgegeben habe, aber bereit sei, einen Vertrag abzuschließen. Danach werde er aus seiner persönlichen Schatulle Gold zur Verfügung stellen, das ich dann nach meiner Methode zu vermehren hätte. Erst später habe ich erfahren, dass der König das künstlich hergestellte Gold als sein Eigentum zur Prüfung an die Münze geben wollte, um größtmögliche Diskretion zu wahren. „So kann uns keiner in die Karten gucken.“ Noch bevor ich Gelegenheit bekam, mein Experiment zu starten, zog sich der König von allen seinen Versprechungen zurück. Fredersdorf zeigte mir den Brief des Königs: „Die gewisse Person hat uns betrogen, du hättest mich bald verführt.“ Und dann kam es besonders schlimm: „Die gute Frau bildet sich mehr von ihrer Wissenschaft ein, als es wahr ist. Könnte sie Gold machen, so hätte sie es längst gemacht.“ 

Ende Oktober, Anfang November 1753 hielt sich der König in Schlesien auf. In dieser Zeit lieferte ich Gold aus meinem Laboratorium an Fredersdorf. Der war erfreut und erleichtert. Nun stand er seinem König gegenüber nicht mehr als Schwindler da. Friedrich aber blieb misstrauisch. Er ließ Fredersdorf wissen: “Wegen der Frau so lasse nur von jeder Schmelze ein Stück durch einen guten Goldschmied probieren, der wird sehen, ob es Messing, Kupfer oder Gold ist.“ 

Und trotzdem, der König hoffte insgeheim, dass doch alles mit rechten Dingen zuginge. Denn er instruierte Fredersdorf, er solle, sollte es sich bei meinen Proben um Gold handeln, dieses sofort zur Münze bringen und auf eigene Rechnung prägen lassen. Doch wieder konnte der schlaue Fuchs es sich nicht verkneifen. “Ich bin fast gewiss und überzeugt, dass es wieder Wind sein wird.“ Nun mochte sich auch Fredersdorf nicht mehr mit mir treffen. 

Michael Gabriel Fredersdorf (1708 – 1758)

Er vertraute mir blind

Mein Name ist Fredersdorf, Michael Gabriel Fredersdorf, geboren 1708 in Gartz an der Oder, gestorben 1758 in Potsdam. Ich war der Geheime Kämmerer und Vertraute Friedrichs des Großen. Obwohl ich vier Jahre älter war als der König, behandelte er mich stets wie ein Vater. Ein guter Vater, nicht so wie ihn sein eigener Vater. Am Leid meiner letzten Jahre nahm er lebhaften Anteil. Er schickte Ärzte zu mir und empfahl mir die besten Mixturen, um mein Blasenleiden zu lindern. Er verstand es, mich auch in trüben Zeiten aufzuheitern. Übrigens: Ich glaube nicht daran, dass meine Leiden von den Quecksilberdämpfen herrührten, die bei Versuchen aufstiegen, Gold herzustellen. 

In der Festung Küstrin, wo Friedrich als hochverräterischer Kronprinz festgehalten wurde, habe ich ihn mit dem Flötenspiel unterhalten. Vielleicht hatte ich einen guten Anteil daran, dass er nach dem Henkerstod seines Freundes Katte wieder Lebensmut fasste. So blieben wir zusammen, Friedrich und ich. Er wurde König und ich stieg zum Geheimen Kämmerer auf. Ich hatte die Ehre, die Schatulle des Königs zu verwalten: das, was er einnahm, und das, was er ausgab. Ich war es, der die Schnupftabaksdosen kaufte, die er so liebte, ich besorgte die Sängerinnen und Tänzerinnen für seine Theater, bemühte mich – leider erfolglos – um Experten, die die Fontänen von Sanssouci zum Sprudeln bringen konnte, und tat alles, um sein Leben angenehm zu machen. Sorgen hatte er genug. Auch auf Schloss Sanssouci, was ja „sorgenfrei“ heißt. 

Ich bin Seiner Majestät sehr zu Dank verpflichtet. Obgleich nicht von Adel, konnte ich bei Hofe ganz nach oben aufsteigen. Mancher „Graf von und zu“ bemühte sich um meine Bekanntschaft, um so dem König näher zu kommen. Dank dieser Vertrauensstellung konnte ich die Tochter des reichen Bankiers und wichtigsten preußischen Waffenproduzenten Gottfried Adolph Daum ehelichen. Majestät geruhten unmittelbar nach seiner Thronbesteigung, mir das Gut Zernikow in der Nähe von Rheinsberg zu übereignen. Da war es für mich selbstverständlich, dass ich mich dort der Zucht von Seidenraupen widmete. Was der König von dem Niedrigsten seiner Untertanen erwartete, konnte ich nicht verwehren. Ich ließ, wo ich nur konnte, Maulbeerbäume pflanzen, 

Vielleicht sollte ich zunächst daran erinnern, dass zu unserer Zeit Seide nicht nur für besonders schöne und geschmeidige Gewänder verwandt wurde, sondern auch zur Wandverkleidung, speziell in den Palästen und Schlössern. Gerade dort war der Bedarf an Seide unersättlich. Der Import aus Frankreich und Italien verschlang ungeheure Summen. Aber warum viel Geld ausgeben – so fragte sich Friedrich – wenn man Seide im eigenen Lande herstellen kann? Man benötigt dafür erstens Seidenraupen, zweitens Maulbeerbäume als Nahrung für die Raupen, drittens Seidenweber. Da sich Seidenraupen schnell vermehren, waren sie das geringste Problem. Die Pflanzung der Maulbeerbäume erfolgte auf Befehl des Königs überall im Land, auf Plantagen, entlang von Straßen, auf Schul- und Kasernenhöfen. 

Die Menschen machten sogar mit, denn aus den süßen Früchten der Maulbeeren kann man Konfekt, Konfitüre und auch Likör herstellen. Die Seidenraupen begnügten sich mit den Blättern. Das Problem der Seidenweber versuchte Friedrich durch die Anwerbung von Fachleuten vor allem aus Frankreich zu lösen. Das waren Leute, die ein Höchstmaß an Perfektion, Konstanz und Gefühl für das Material mitbrachten. Denn Seidenfäden reißen beim Weben sehr leicht, und Knoten sind im sehr feinen Seidengewebe nicht zu verstecken. Trotz aller Bemühungen: Mehr als ein Zehntel des Bedarfs an Seide konnten wir niemals aus preußischer Produktion decken. Aber kommen Sie nach Zernikow und sehen Sie sich an, wie prächtig sich meine Maulbeerbäume heute noch machen. Und mein Schlösschen, für das Meister Knobelsdorff eigenhändig die Pläne lieferte, erstrahlt in neuem Glanz.

Johann Wilhelm Grävenitz (1709 – 1764?)

Der Müller von Sanssouci

Muss ich mich etwa noch vorstellen? Den Grävenitz kennt doch jeder! Wer jemals vom Alten Fritz gehört hat, hat ganz sicher auch vom Müller von Sanssouci gehört und seinem angeblichen Vertrauen ins Berliner Kammergericht. Aber nun mal sacht und von Anfang an. Schon zu Zeiten des Vaters von Friedrich II., dem allbekannten „Soldatenkönig“, passierte in und um Potsdam nichts, was der König nicht selbst angeordnet hätte. Es war eben seine Stadt. Und wenn der König meinte, seine Garnison bekäme nicht genug Mehl zum Brotbacken, dann griff er in die Schatulle und spendierte eine Mühle und noch eine und noch eine…. Im Todesjahr des Alten Fritz drehten sich in der Hügellandschaft rund um Potsdam die Flügel von 26 Windmühlen. Das bedeutete für jeden Müller eine riesige Konkurrenz. Jeder musste zusehen, wo er blieb. Dass ich überhaupt eine Mühle betreiben durfte, lag wohl daran, dass mein Bruder bereits eine auf dem Bornstedter Feld betrieb. So erhielt ich 1737 den Platz für eine neue Mühle zugewiesen – ausgerechnet auf dem „Wüsten Berg“ zwischen Potsdam und Bornstedt. Wer konnte damals ahnen, dass rund zehn Jahre später der neue König ein Lustschluss genau neben meine Mühle bauen würde? Die Nachbarschaft zwischen einem Müller und einem König ist nun einmal eine heikle Sache.

Haben Sie schon einmal eine Windmühle aufgebaut? Wenn ja, dann hätten Sie eine Ahnung, welche Plackerei das ist: ihren Ort zu planieren, die Hölzer heranzukarren, zurechtzusägen, sie zu verbinden, das Mühlenhaus zu bauen, die Königswelle einzusetzen, das Kammrad passend zu machen und das schwere Mühlrad an seinen Platz zubringen. Über ein Jahr hat es gedauert, bis ich das erste Korn zu Mehl vermahlen konnte. Aber denken Sie nicht, ich sei nun ein reicher Mann geworden. Erstens musste ich die Schulden für den Bau in Höhe von 800 Taler bezahlen, und zweitens sollte ich auch noch einen Pachtzins von 40 Talern aufbringen. Dann kam auch noch das Militärwaisenhaus und wollte kassieren, weil meine Mühle auf dessen Grundstück stand. Und dann das Lustschloss, das Friedrich II. „Sanssouci“ – „ohne Sorge“ – nannte. Ich bekam nun allerdings viele Sorgen.  Die Bauarbeiten für das Schloss machten die Wege zu meiner Mühle fast unpassierbar, es wurde Sand abgetragen, sodass ich befürchten musste, dass meine Mühle den Halt verliert, kaum ein Bauer traute sich dann noch an den Wachen vorbei in die Nähe des Königsschlosses, und schließlich nahm mir der Alte Fritz (der damals allerdings noch recht jung war) mit seinen Mauern und Bäumen auch noch den Wind weg. Als ich bereits darüber nachdachte, meine Mühle an einen anderen Ort zu verlegen, war es nun der König, der protestierte. Er meinte, die Mühle gereiche dem Schloss „zur Zierde“. Also untersagte er den Abriss, erließ mir aber die Pacht. Wir hatten uns also geeinigt.

Aber Sie fragen nach der Sache mit dem Kammergericht, die eine nicht totzukriegende preußische Legende ist. Angeblich soll mit der König gedroht haben, die Mühle abzureißen, weil ihn das „Geklapper“ störe. Hier können Sie schon feststellen, dass an der Geschichte etwas nicht stimmen kann, denn es sind bekanntlich Wassermühlen, die klappern, und nicht Windmühlen. Die Legende geht dann so weiter: Der König habe verlangt, dass ich ihm die Mühle verkaufe. Als ich mich weigerte, soll er gesagt haben: „Weiß er denn nicht, dass ich ihm kraft meiner königlichen Macht die Mühle wegnehmen kann, ohne auch nur einen Groschen dafür zu bezahlen?“ Worauf ich geantwortet haben soll: „Gewiss, Eure Majestät, das könnten Sie wohl tun, wenn es – mit Verlaub gesagt – nicht das Kammergericht in Berlin gäbe.“ Mit dieser Legende sollte ein Hohelied auf die preußische Rechtsprechung gesungen werden. 

Und noch etwas stimmt an der ganzen Geschichte nicht. Die Legende vom Müller von Sanssouci wird häufig mit einer Mühle illustriert, die unschwer als Galerieholländer zu identifizieren ist. Eine solche Mühle wurde aber erst errichtet, als ich und mein König nicht mehr unter den Lebenden weilten.

Johann Georg Pfund (1700 – 1784)

Der rasende Kutscher

Gestatten, Johann Georg Pfund, Leibkutscher Friedrichs des Großen. In Potsdam kennt mich jedes Kind, denn ich bin als Steinfigur auf dem Tor des Kutschstalls am Neuen Markt verewigt. Hier können alle sehen, wie ich die Pferde eines Vierspänners antreibe, als gelte es, ein Wagenrennen zu gewinnen. Die Tiere bäumen sich auf und ich schwinge meine Peitsche auf sie herab. Finden Sie es nicht auch seltsam, dass sich die Plastik voll und ganz auf mich und meine Pferde konzentriert, von einer Kutsche aber nichts zu sehen ist. Ja, so ist es, mit meiner Person zeigt der gute alte Johann Eckstein erstmals in Potsdam einen realen Menschen auf einem königlichen Gebäude. Auch die anderen Figuren auf dem Kutschstall sind ganz gewöhnliche Pferdeburschen und verrichten gewöhnliche Tätigkeiten. 

Doch zunächst wollen Sie bestimmt etwas über mich wissen. Ich wurde im Jahr 1700 in Neuruppin geboren und trat 30-jährig in den Dienst des damaligen Kronprinzen, als der – gerade aus dem Kerker der Festung Küstrin entlassen – das dortige Infanterieregiment „Kronprinz“ befehligen durfte. 46 Jahre blieben wir zusammen – ich und mein König. Und wie ich ihn kutschiert habe! So wie Friedrich das Risiko liebte, so liebte er auch schnelle Fahrten. Es konnte ihm nie schnell genug gehen, denn jede Fahrt war für ihn vertane Zeit, die er besser hätte nutzen können. Einmal – es war auf einer der Inspektionsreisen nach dem großen Krieg – kamen wir so unglücklich über einen Stein am Weg, dass die Kutsche umstürzte. Zum Glück war dem König nichts geschehen. Aber wütend war er und ging schon mit dem Stock auf mich zu. „Haben denn Euro Majestät niemals eine Schlacht verloren?“, fragte ich ihn. Er grinste, und der Zorn war verraucht.

Als wieder einmal eine Reise nach Schlesien anstand, hatte mich ein Fieber ans Bett gefesselt. Der König schickte einen Boten mit einer persönlichen Botschaft Seiner Majestät. Er teilte mir mit, dass er seine diesjährige Inspektion wohl absagen müsse, wenn ich nicht zur Verfügung stehe. Im gleichen Augenblick lösten sich wie von Wunderhand meine Fesseln und ich brachte den König sicher nach Schlesien. 

Als Kutscher bestimmte ich auf den Reisen sogar den Zeitplan des Königs. Ein Edelmann hat folgenden Dialog zwischen dem König und mir auf der Rückreise von einer Revue festgehalten:

„Ist das Dolgelin? – Ja, Ihro Majestät. – Hier will ich bleiben. – Nein, die Sonne ist noch nicht unter. Wir kommen noch recht gut nach Müncheberg und dann sind wir morgen viel früher in Potsdam. – Na, wenn es sein muss!“

Die Geschichte geht so weiter:

„Es zeigt sich später, dass alle Prediger die Gewohnheit hatten, dem Kutscher Pfund zehn Taler zu schenken, wenn der König bei ihnen übernachtete. Der neue Prediger von Dolgelin allerdings, der von dieser Übereinkunft nichts wusste, hatte dem Kutscher im vorigen Jahr nichts gegeben. Deswegen hatte Pfund schon den ganzen Tag so vorwärtsgetrieben, dass er noch vor Sonnenuntergang Dolgelin passierte und sich die zehn Taler in Müncheberg vom Bürgermeister Krahmer holte.“

Ich erzähle Ihnen diese Geschichte nur, weil ich nichts zu verbergen habe. Meine Nähe zum großen König hat viele neidisch gemacht. Sie brachten Geschichten über mich in Umlauf, die meist davon handeln, dass ich dem König gegenüber grob und vorlaut auftrat. Außerdem soll ich ein Weiberheld gewesen sein und auf Kosten des Königs große Feste veranstaltet haben. Das ist alles üble Nachrede!

Als ich 76 Jahre alt war, wurde ich in den Ruhestand geschickt. Allerdings ohne Rente. Manche behaupteten, der König habe mir damit meine Unverschämtheiten heimzahlen wollen. Aber der Oberstallmeister Graf Schwerin hat dann doch noch eine Pension auf Lebenszeit in Höhe von 7 Thalern und 8 Groschen monatlich erwirkt. Ich starb am Tag meines 84. Geburtstages.

Andreas Noel (1726 – 1802)

Aus der Küche geplaudert

Gestatten: Maitre Andreas Noel, Oberhofmeister und Küchenchef seiner Majestät, des Königs von Preußen. Mein Vater stammt aus Angouleme im Westen Frankreichs und war ein Pastetenbäcker, dessen Ruhm über die ganze Welt erstrahlte. Ich kam 1755 als königlicher Mundkoch nach Potsdam. Wir waren am preußischen Hof fast 30 Köche und jeder hatte seine Spezialität. Meine waren – wie könnte es anders sein? – die Pasteten. Über 30 Jahre lang diente ich dem König: ab 1767 als zweiter Hofküchenmeister und ab 1784 als erster. Um diesen Posten müssen Sie mich nicht beneiden. Denn ich war zuständig für den Speiseplan des Königs, den dafür erforderlichen Kauf der Lebensmittel, hatte das Anrichten der Speisen zu überwachen und darauf zu achten, dass sie dem Anlass entsprechend serviert wurden. Zwischendurch durfte ich auch gelegentlich eine neue Speise kreieren. Der König liebte Überraschungen an seiner Tafel. Besonders dann, wenn er einen seiner Gäste mit neuartigen Speisen aus der Fassung bringen konnte. Und immer musste ich peinlichst aufs Geld achten, denn der König erwartete zwar immer raffiniertere Speisen, war aber kaum bereit, den Preis zu bezahlen. Ich hatte ein festes Budget und keinen Groschen mehr. Aber ich will hier nicht nur klagen.

Wussten Sie, dass der König sogar ein Gedicht mir zu Ehren ersann? Er nannte mich den „Newton des Kochgeschirrs und den Cäsar des Bratenspießes“. „Was an Filets erfand schon dein Verstand, welche Pasteten formte deine Hand…“ Und so geht es ganze 16 Strophen weiter. Mir wurde ganz schwindlig, als ich es zum ersten Mal lesen durfte. Der König schmiedete die Verse als Lob auf meine „Bombe de Sardanapale“, ein mit Speck, Würstchen, Knoblauch und Safran gefüllter Kohlkopf. Man erkennt daran sofort, dass der König das deftige Essen liebte. Natürlich war sein Gaumen vorwiegend auf die französische Küche eingestellt. Er liebte alles Französische, gerade auch unsere Küche. Wie Sie an mir sehen, stammten seine bevorzugten Köche aus Frankreich, er hatte aber auch deutsche Küchenmeister in Diensten, sogar eine Bayerin habe ich erlebt. 

Jetzt möchten Sie, dass ich über die Kartoffel spreche. Immerhin liegen ja ständig Kartoffeln auf dem Grabstein des Königs neben Schloss Sanssouci. Es soll ja sogar Menschen geben, die die „Pommes Fritz“, wie sie sie nennen, für eine Erfindung des Königs halten. Das kann nicht stimmen! Denn diese seltsamen Kartoffelstäbe heißen in Wirklichkeit „Pommes frites“ und das heißt „frittierte Kartoffeln“, also mit Öl vollgepumpt. Gelegentlich wird in Ihrer Zeit die Kartoffel als „Sättigungsbeilage“ bezeichnet. Glauben Sie im Ernst, bei einem acht- oder sogar zweiundzwanzig-gängigen Menü hätte irgendjemand an der Tafel von Schloss Sanssouci eine Sättigungsbeilage nötig gehabt? Ein Kartoffelgericht gab es bei uns nicht. Der König setzte sich doch nur so vehement für den Kartoffelanbau in Preußen ein, weil er Hungersnöte vermeiden wollte. Er fürchtete das Risiko des einseitigen Getreideanbaus. Nur eine einzige Missernte – und schon war die Katstrophe da. Wenn unterschiedliche Nahrungsmittel angebaut werden, sollte sich das Risiko verteilen. So einfach ist das.

Was aber mochte der König wirklich? Suppen und nochmals Suppen. Als Vorspeise drei hintereinander – das war nicht selten. Friedrich liebte den Gaumenkitzel. In frühen Jahren war es die Raffinesse der Speisen, die ihn erfreute. Im Laufe der Jahre wünschte er sich immer mehr Würze, um schließlich die richtig scharfen Speisen zu bevorzugen. Was er im Alter aß, war für einen normalen Gaumen bereits ungenießbar. Oder würden Sie sich Senf in den Kaffee rühren? In die Suppen gehörten jetzt immer mehr Ingwer, das Rindfleisch kochte ich in Branntwein und die Aalpasteten garnierte ich mit scharfem Paprika. Ich hätte solche Gerichte nie erfunden, wenn sie der König nicht höchstpersönlich befohlen hätte.