Andreas Noel (1726 – 1802)
Aus der Küche geplaudert
Gestatten: Maitre Andreas Noel, Oberhofmeister und Küchenchef seiner Majestät, des Königs von Preußen. Mein Vater stammt aus Angouleme im Westen Frankreichs und war ein Pastetenbäcker, dessen Ruhm über die ganze Welt erstrahlte. Ich kam 1755 als königlicher Mundkoch nach Potsdam. Wir waren am preußischen Hof fast 30 Köche und jeder hatte seine Spezialität. Meine waren – wie könnte es anders sein? – die Pasteten. Über 30 Jahre lang diente ich dem König: ab 1767 als zweiter Hofküchenmeister und ab 1784 als erster. Um diesen Posten müssen Sie mich nicht beneiden. Denn ich war zuständig für den Speiseplan des Königs, den dafür erforderlichen Kauf der Lebensmittel, hatte das Anrichten der Speisen zu überwachen und darauf zu achten, dass sie dem Anlass entsprechend serviert wurden. Zwischendurch durfte ich auch gelegentlich eine neue Speise kreieren. Der König liebte Überraschungen an seiner Tafel. Besonders dann, wenn er einen seiner Gäste mit neuartigen Speisen aus der Fassung bringen konnte. Und immer musste ich peinlichst aufs Geld achten, denn der König erwartete zwar immer raffiniertere Speisen, war aber kaum bereit, den Preis zu bezahlen. Ich hatte ein festes Budget und keinen Groschen mehr. Aber ich will hier nicht nur klagen.
Wussten Sie, dass der König sogar ein Gedicht mir zu Ehren ersann? Er nannte mich den „Newton des Kochgeschirrs und den Cäsar des Bratenspießes“. „Was an Filets erfand schon dein Verstand, welche Pasteten formte deine Hand…“ Und so geht es ganze 16 Strophen weiter. Mir wurde ganz schwindlig, als ich es zum ersten Mal lesen durfte. Der König schmiedete die Verse als Lob auf meine „Bombe de Sardanapale“, ein mit Speck, Würstchen, Knoblauch und Safran gefüllter Kohlkopf. Man erkennt daran sofort, dass der König das deftige Essen liebte. Natürlich war sein Gaumen vorwiegend auf die französische Küche eingestellt. Er liebte alles Französische, gerade auch unsere Küche. Wie Sie an mir sehen, stammten seine bevorzugten Köche aus Frankreich, er hatte aber auch deutsche Küchenmeister in Diensten, sogar eine Bayerin habe ich erlebt.
Jetzt möchten Sie, dass ich über die Kartoffel spreche. Immerhin liegen ja ständig Kartoffeln auf dem Grabstein des Königs neben Schloss Sanssouci. Es soll ja sogar Menschen geben, die die „Pommes Fritz“, wie sie sie nennen, für eine Erfindung des Königs halten. Das kann nicht stimmen! Denn diese seltsamen Kartoffelstäbe heißen in Wirklichkeit „Pommes frites“ und das heißt „frittierte Kartoffeln“, also mit Öl vollgepumpt. Gelegentlich wird in Ihrer Zeit die Kartoffel als „Sättigungsbeilage“ bezeichnet. Glauben Sie im Ernst, bei einem acht- oder sogar zweiundzwanzig-gängigen Menü hätte irgendjemand an der Tafel von Schloss Sanssouci eine Sättigungsbeilage nötig gehabt? Ein Kartoffelgericht gab es bei uns nicht. Der König setzte sich doch nur so vehement für den Kartoffelanbau in Preußen ein, weil er Hungersnöte vermeiden wollte. Er fürchtete das Risiko des einseitigen Getreideanbaus. Nur eine einzige Missernte – und schon war die Katstrophe da. Wenn unterschiedliche Nahrungsmittel angebaut werden, sollte sich das Risiko verteilen. So einfach ist das.
Was aber mochte der König wirklich? Suppen und nochmals Suppen. Als Vorspeise drei hintereinander – das war nicht selten. Friedrich liebte den Gaumenkitzel. In frühen Jahren war es die Raffinesse der Speisen, die ihn erfreute. Im Laufe der Jahre wünschte er sich immer mehr Würze, um schließlich die richtig scharfen Speisen zu bevorzugen. Was er im Alter aß, war für einen normalen Gaumen bereits ungenießbar. Oder würden Sie sich Senf in den Kaffee rühren? In die Suppen gehörten jetzt immer mehr Ingwer, das Rindfleisch kochte ich in Branntwein und die Aalpasteten garnierte ich mit scharfem Paprika. Ich hätte solche Gerichte nie erfunden, wenn sie der König nicht höchstpersönlich befohlen hätte.