Hans-Georg von Ribbeck (1689 bis 1759)
Der großherzige Gutsherr im Havelland
Ich sehe es ein – ohne den Herren von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland ist ein Treffen bei Theodor Fontane völlig undenkbar. Fontanes Ballade von 1889 ist in vielen Lehrplänen bis heute vorgesehen, sodass es in Deutschland zweifellos zu den bekanntesten Gedichten gehört. Wer kennt nicht zumindest die erste Zeile? Also gestatten Sie mir, dass ich mich vorstelle: Ich heiße Hans-Georg von Ribbeck und lebte von 1689 bis 1759. Ich stamme aus einer uralten märkischen Adelsfamilie, die mit den Askaniern in das Land kam, das sie den slawischen Stämmen entrissen. Ich war ein großzügiger und kinderfreundlicher Mensch – unter damaligen Gutsherren leider eine seltene Eigenschaft.
Bereits vor Fontanes Ballade war ich Gegenstand dichterischer Beschreibungen. Eine davon aus dem Jahr 1875 geht auf Hertha von Witzleben zurück, die unserer Familie entstammte. Auch in einer Sagensammlung aus dem Havelland von 1887 war ich vertreten. Jetzt fragen Sie, warum Fontane diese Geschichte noch einmal aufgegriffen hat. Ich vermute, er wollte damit auf den guten Kern des märkischen Adels hinweisen, der zu seinen Lebzeiten hinter Dünkel, Arroganz und Großmannssucht kaum noch erkennbar war. Für ihn waren die guten Vertreter der märkischen Adelsfamilien unverzichtbare Träger der Kultur. In seinen „Wanderungen“ hat er viele von uns respektvoll vorgestellt.
Warum ausgerechnet die Birne, um meine Großherzigkeit zu würdigen? Auch darauf gibt es eine Antwort. In der Mitte des 18. Jahrhunderts herrschte bei uns eine „kleine Eiszeit“. Zum Beispiel war der Winter von 1739 auf 1740 – dem Jahr des Regierungsantritts von Friedrich II. – extrem streng. Er erreichte Temperaturen von bis zu 39 Grad unter Null und dauerte bis in den Mai hinein. Damals gingen zahlreiche Obstsorten zugrunde, der Weinanbau in Brandenburg brach ein, auch viele Birnenarten überlebten die Kälte nicht. Es war schon etwas Besonderes, wenn die Ribbecker Kinder eine Birne mit nach Hause bringen konnten. Zumal Birnen nicht nur als Obst gegessen wurden, sondern in der traditionellen Küche eine beliebte Beilage waren.
Wahr ist, dass mein Sohn ein knausriger und kaltherziger Mensch war. Aber die Geschichte mit dem Begräbnis samt Birnenkerne kann ich nicht bestätigen. Immerhin besaßen wir Ribbecks eine Familiengruft in der Dorfkirche. Aber ist Ihnen aufgefallen, dass mich Fontane in seiner Ballade einen deftigen Dialekt sprechen lässt? „Junge, wist‘ ne Beer?“ und „Lütt Dirn, kumm man röwer, ich hebb`ne Birn.“ Ja, das ist Plattdeutsch. Fontane wusste, dass man vor 250 Jahren im nördlichen und mittleren Brandenburg diesen niederdeutschen Dialekt sprach. Er wusste, dass der im Abklingen war. Auch so wollte der Dichter wohl an die alten Traditionen erinnern.
Übrigens: In Ribbeck im Havelland wird viel getan, um die Erinnerung an die alte Zeit zu bewahren. Neben der Dorfkirche wurde von eifrigen Baumpaten ein Birnengarten mit fast zwei Dutzend Bäumen gepflanzt. Sie tragen Birnen mit so schönen Namen wie „Köstliche von Charneu“, „Gellersts Butterbirne“ oder „Frühe von Trevoux“. Die legendäre Birne in meinem Garten war – so die heutige Wissenschaft – eine wohlschmeckende „Melanchthon-Birne“, auch „Römische Schmalzbirne“ genannt, weil sie mit römischen Legionären nach Germanien kam.