Alexander Gentz (1826 – 1888)
Getroffen im Tempelgarten
Wenn Sie in Fontanes Wanderung durch die Mark Brandenburg und dort speziell im ersten Band über das Ruppiner Land geblättert haben, dann sind Sie garantiert auf die Neuruppiner Familie Gentz gestoßen. Wir werden darin so ausführlich vorgestellt, dass man aus diesen Kapiteln problemlos ein eigenes Buch hätte herausgeben können. Da wäre zunächst mein Vater Johann Christian Gentz, etwa im Alter von Fontanes Vater. Im Gegensatz zum gescheiterten Apotheker hat es mein Vater zu deutlichem Wohlstand gebracht. Johann Christian war ein Original und zugleich ein Mann, der innerhalb der gewerblichen und merkantilen Welt von der Pike an gedient hatte. Lesen Sie bei Fontane nach, zu welchen Mitteln er dabei griff: „Um drei Uhr war er auf und begann damit, den Laden selber auszufegen. Eine Art von Genie aber entwickelte er in seinem Verkehr mit dem Publikum. Von einer seiner Reisen hatte er eine Spieluhr mitgebracht, die fünf Lieder spielte. Wollte nun eine wohlhabende Bauerfrau, die nach seiner Meinung noch nicht genug gekauft hatte, den Laden wieder verlassen, so zog er an der Uhr, die sofort »Schöne Minka, du willst scheiden« zu spielen begann. Die Frau blieb nun, um weiter zu hören, und wurde Opfer ihrer Neugier.“
Aus einem kleinen Kurzwarenladen baute er ein Bank- und Wechselgeschäft auf und gründete schließlich seinen Reichtum auf Torf. Das war zu einer Zeit, als Torf in der Mark Brandenburg noch die Rolle spielte, die in England schon längst die Steinkohle für die industrielle Entwicklung übernommen hatte. Aus diesem Reichtum erwuchs nördlich von Neuruppin das Anwesen Gentzrode. Die Gebäude wurden im maurischen Stil mitten in einem Landschaftspark errichtet und bilden ein einzigartiges Bauensemble, das Ihren Zeitgenossen als ein Denkmal von nationaler Bedeutung gilt. Ab 1858 übernahm ich von meinem Vater die Verantwortung für das Gut. Der trockene, nährstoffarme Boden und der Verfall des Torfpreises machten mir allerdings schwer zu schaffen. Jedenfalls musste ich 1884 Konkurs anmelden. Zum Glück musste mein Vater das nicht miterleben. Gentzrode wechselte seither oftmals den Besitzer. Allerdings mit der Folge, dass es immer mehr verwahrloste. Leider.
Gentzrode war aber nicht unser einziges Projekt zur Verschönerung Neuruppins. 1853 kauften wir den von König Friedrich dem Großen angelegten Tempelgarten auf den Wallanlagen. Vor allem ich war es, der dem Garten seine immer noch sichtbare Gestalt gab. Ich engagierte den berühmten Orientalistik-Architekten Carl von Diebitsch und beauftragte ihn, die Villa, das Gärtnerhaus mit dem stilisierten Minarett, die Eingangstore und Umfassungsmauern samt einer angedeuteten Bastion in orientalisierender Form zu errichten. Für die Ausschmückung des Gartens erwarb ich aus Dresden barocke Sandstein-Plastiken und ließ den Garten mit botanischen Besonderheiten bepflanzten. Auch diese Perle im Neuruppiner Geschmeide musste ich verkaufen. Doch diesmal war die Stadt der Käufer. So blieb der Tempelgarten als eine hervorragende Sehenswürdigkeit der Stadt erhalten.
Doch zurück zu Fontane und seinen Wanderungen. Den meisten Raum in seinen Schilderungen über unsere Familie räumte er meinem Bruder Wilhelm ein. Der führte als Maler ein wahrhaft abenteuerliches Leben. Er lebte in London und Paris, bereiste Spanien und den gesamten Orient zwischen Marokko, Ägypten und der Türkei. Kein Wunder, wenn Fontane gern aus seinen Erinnerungen zitierte: „Interessant ist das Volksleben, die Tänze auf öffentlichen Plätzen, das Zigeunertreiben, das Aufregende der blutigen Stierkämpfe, die Hingabe der Frauen, die klangvolle Sprache, die äußerste Lebendigkeit in der Komödie und Posse, die Gastfreundschaft, dazu die Fülle der Abenteuer, deren man dort mehr erleben kann als in anderen Ländern.“ Mehr noch über das Leben entlang der Mittelmeerküste können Sie in den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ nachlesen.